Erfolgreiche Personalarbeit und engagierte Mitarbeiter – Fehlanzeige?
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind heute ArbeitnehmerInnen im Schnitt 25 Prozent produktiver als vor 30 Jahren. Selbst wenn man die Produktivität ignoriert und nur die Arbeitsstunden betrachtet, wurde noch nie so viel gearbeitet, wie im letzten Jahr. „Es kann keine Rede davon sein, dass die Bürger nicht mehr arbeiten wollen“, sagt der DIW-Forscher Matthis Beckmannshagen.
Erinnern Sie sich noch an den Geist aus dem Lampengefäß: „Dschinn(i)“. Als Aladdin den Schmutz von der Lampe reibt, erscheint plötzlich ein unglaublicher Geist aus dem Gefäß. Er verändert und erweitert die Wirklichkeit. Solche Geister im übertragenen Sinn kennen wir auch aus unserer Arbeit. Menschen und ihre Ideen verändern die Welt.
Vor gut 50 Jahren entwickelte Willi Haller die ersten digitalen Zeiterfassungsgeräte. Mit der entsprechenden Software schufen sie die Voraussetzung für die Entstehung und Umsetzung der Gleitzeit. Haller hat damit die Arbeitswelt verändert. Das Gleiche gilt auch für die Entwicklung des Internets im Silicon Valley. Und untrennbar mit der Covid-Pandemie verbunden bleibt das Modell Homeoffice. Es wird uns nicht mehr gelingen diese Errungenschaften in das „Gefäß“, aus dem sie kamen, zurückzubringen. Der britische Schriftsteller Douglas Adams (Autor des Buches: „Per Anhalter durch die Galaxie“) schrieb einmal: “Alles, was zum Zeitpunkt Deiner Geburt in der Welt ist, ist normal und gewöhnlich und lediglich ein natürlicher Teil davon, wie die Welt funktioniert. Alles, was erfunden wird, während du zwischen 15 und 35 Jahre alt bist, ist neu und spannend und revolutionär, und du kannst vermutlich eine berufliche Karriere darauf aufbauen. Alles, was erfunden wird, nachdem Du 35 Jahre alt bist, ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge.“ Dieses Bild hilft, Manches besser zu verstehen. Menschen haben das Neue, trotz aller Hindernisse immer wieder mit Leben gefüllt und weiterentwickelt.
Mitarbeiter eher als Spielverderber sehen
In der Ausgabe des Handelsblatts vom 23. Juli stand die Headline: „Blitzsauberes Quartal: SAP-Aktie springt auf Rekordwert – doch Teile der Belegschaft sind verärgert“. Die SAP-Aktionäre sind begeistert. Das Unternehmen hat seine Profitabilität mächtig gesteigert. Die Analysten loben die Strategie des Unternehmens und den anstehenden Personalabbau. Weder Vorstandschef Christian Klein noch die Analysten würdigen in der Öffentlichkeit die Leistungen der MitarbeiterInnen des Unternehmens und der Personalabteilung in den letzten Jahren, die ganz entscheidend zu diesem hervorragendem Quartalsergebnis beigetragen haben.
Ich erinnere auch an Cawa Younosi, der jahrelang das HR-Aushängeschild von SAP war. Er hat das Unternehmen vor einigen Monaten (fast wortlos) verlassen. Als weltweit erfolgreiches und attraktives Unternehmen kann sich SAP womöglich einen Konfliktkurs mit Beschäftigten leisten. Zuletzt stand es den Mitarbeitern von SAP offen, ob sie im Büro oder aus dem Homeoffice arbeiten. Damit ist jetzt Schluss. Von nun an sollen sie wieder 3 Tage in der Woche im Büro arbeiten. Und in Zukunft sollen die Mitarbeiter stärker nach Leistung bezahlt werden. Klein sagte der „Süddeutschen Zeitung“, dass von 2025 an bei SAP-Leistung und Teamfähigkeit bewertet und das Gehalt der Mitarbeiter daran angepasst werden. Im Rahmen einer Restrukturierung verkündete das Unternehmen im Januar dieses Jahr, mit entsprechenden Abfindungen 8.000 Stellen abzubauen. Jüngsten Zahlen nach bewerben sich mittlerweile 9.000 bis 10.000 Mitarbeiter um die Abfindungen. Als weltweit tätiger Konzern findet SAP auch in anderen Ländern, wie z. B. in Indien gute und weniger teure MitarbeiterInnen. Nicht jedes Unternehmen in Deutschland kann sich diese HR-Strategie leisten.
Nicht die Arbeitszeit – die Leistung ist entscheidend
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind heute ArbeitnehmerInnen im Schnitt 25 Prozent produktiver als vor 30 Jahren. Sie erwirtschaften somit mehr als früher, auch wenn sie weniger Zeit in der Fabrik und im Büro verbringen. Selbst wenn man die Produktivität ignoriert und nur die Arbeitsstunden betrachtet, wurde noch nie so viel gearbeitet, wie im letzten Jahr. „Es kann keine Rede davon sein, dass die Bürger nicht mehr arbeiten wollen“, sagt der DIW-Forscher Matthis Beckmannshagen. Von wegen „Kein Bock auf Arbeit“. Die DIW-Daten zeigen keinen signifikanten Unterschied zwischen den Generationen. Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft benötigen das richtige Umfeld. Dafür sorgen die Personalverantwortlichen heute im ganzen Land. Schade, dass auch das DIW diesen Zusammenhang nicht sieht und würdigt.
Der von mir schon mehrfach genannte und geschätzte Willi Haller, dessen Unternehmen Interflex Datensysteme GmbH in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert, setzte schon bei der Gründung auf ein progressives Managementkonzept. Dabei spielte die Mitarbeitermotivation eine Schlüsselrolle. Er band die Mitarbeiter aktiv in seine Entscheidungsprozesse ein. Ein Drittel des Unternehmensgewinns wurde unter den Kapitalgebern, Mitarbeitern und Hilfsprojekten verteilt. Haller sah sich nie als Chef, sondern als Teil eines Teams. Für ihn war wichtig, dass die Arbeit Spaß machte. Am 02. August werden es 20 Jahre, dass der Vater der Gleitzeit für immer gegangen ist.
Franz Langecker
Chefredakteur HR Performance