„Brutalismus“ baut HR um
Es kommt also auf die Dosis „Brutalismus“ an. Er verändert auch HR. Schließlich sind alle Systeme fragil und nicht für die Ewigkeit gemacht. Schon Platon warnte vor 2.400 Jahren vor der Gefahr, dass nach der Herrschaft der Wenigen (Oligarchen) die Tyrannis folgt.

Lassen Sie Ihren Assoziationen freien Lauf. Der Begriff kommt eigentlich aus der Architektur. Dort steht er für einen Baustil der Moderne, der sich ab 1950 verbreitete. Längst hat das Wort seine Grenzen gesprengt. Für den Architekten Le Corbusier war es der rohe Beton oder Sichtbeton, wie wir heute sagen. Dabei ging es um Authentizität bei Material und Konstruktion, simple geometrische Formen und die grobe Ausarbeitung.
Beim Anblick der „Betonburgen“, die es wohl in allen unseren Städten noch gibt, sprechen wir gern von den Bausünden der Vergangenheit. Bei Wikipedia heißt es: „Der Brutalismus war in spezifischer Art sowohl mit der ökonomischen und materiellen, insbesondere auch mit der mentalen und psychologischen Situation der Nachkriegszeit verbunden. Angesichts der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Welt passen der Begriff und seine Botschaft in unsere Zeit.“
Da ist die „Sehnsucht“ nach rohem Beton, nach „Brutalismus“
Ich glaube unsere Einteilung der Welt und der politischen Bewegungen in rechts und links springt zu kurz und vernebelt unseren Blick. Der „Brutalismus“ ist dreidimensional. Er passt nicht in unsere Ästhetik und trotzdem existiert er und es gibt eine Sehnsucht danach. Wer kennt nicht den Wunsch nach weniger Komplexität und klareren Verhältnissen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Und wer die Wähler von Donald Trump oder der AfD einfach nur in die rechte Ecke schiebt, tut Vielen Unrecht. Wir sollten uns auch mit Forderungen anderer auseinandersetzen, selbst wenn sie uns nicht gefallen. Gewohntes zerbricht und mit roher Wucht setzen sich Veränderungen durch. Wir stecken in einem tiefgreifenden Umbruch. Wir müssen neue Wege suchen und gehen.
Wir kennen alle den Satz von Erich Fried: „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“ Sie bleibt nur, wenn sie sich verändert. Vor 36 Jahren ist die Mauer in Berlin gefallen. Wie glücklich war Deutschland damals! Doch schneller als gedacht hat die Politik wieder eine neue Mauer gebaut. Ist das nicht auch eine Art Brutalismus? Und angesichts der Unfähigkeit der Politiker, Brücken zu bauen, müssen die Migranten als Prügelknaben herhalten. Welche Ausstrahlungen das auf unsere Arbeitswelt hat, können wir noch nicht ganz ermessen.
Unter dem Pflaster liegt der Strand
Mir fällt dieser Sponti-Spruch aus den 70er-Jahren ein. Damals legte man Pflaster noch auf Sand. Er steht für die Vision, die wir haben oder noch suchen. Visionäres hat sich bei Vielen rar gemacht. Warum machen wir uns selbst so schlecht? Wer andere Länder dieser Welt besucht, weiß wie sehr uns viele Länder um unsere Probleme beneiden. Trotzdem verlassen jährlich ca. 210.000 junge, qualifizierte Deutsche unser Land. Sie sehen ihre Zukunft in anderen Regionen dieser Welt. Eigentlich sollten wir stolz sein, dass Menschen nach Deutschland wollen, um ihre Lebensvisionen zu verwirklichen. Sie bringen neue Ideen, Impulse und Elan mit.
Allzu leicht ertappen wir uns, wie wir Menschen wie Elon Musk zu Verrückten erklären. Wer traut sich da noch, verrückt zu sein? Heute Abend beginnt die Berlinale mit dem Film „Das Licht“ von Tom Tykwer. Mit mehr als zweieinhalb Kinostunden hat er eine ungewöhnliche Länge. Manche Botschaften brauchen einfach mehr Raum und Zeit. In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger (8.Februar 2025) über seinen Film sagt er: „Wir sind offenbar in einem Tunnel steckengeblieben. Wir haben uns von diesem penetranten Wohlstandsversprechen einlullen lassen. Alles sollte irgendwie gemütlich sein. Wie soll man da miteinander streiten? Aus sozialer und politischer Sicht muss das Prinzip Gemütlichkeit erst mal abgeschafft werden. Ohne Auseinandersetzung kommen wir nirgendwo hin. Was nicht dazu führen darf, dass wir uns ins Radikale ziehen und uns polarisieren lassen. Allerdings ist das nicht ganz einfach bei all den Konflikten, über die man sich jeden Tag empören könnte.“
Es kommt also auf die Dosis „Brutalismus“ an. Er verändert auch HR. Schließlich sind alle Systeme fragil und nicht für die Ewigkeit gemacht. Schon Platon warnte vor 2.400 Jahren vor der Gefahr, dass nach der Herrschaft der Wenigen (Oligarchen) die Tyrannis folgt. Das sagte jüngst auch der Politikwissenschaftler Fritz W. Scharpf, der am Dienstag in Köln seinen 90. Geburtstag feierte. „Ich teile die Sorge um die Zukunft der Demokratie durchaus. Wenn die Demokratie nicht mehr funktioniert, kommt die Tyrannis.“
Damit Letztere uns erspart bleibt, beteiligt sich DATAKONTEXT an der Initiative #ZUSAMMENLAND. Vielfalt macht uns alle stark.

Franz Langecker
Chefredakteur HR Performance