Die Zügel wieder fest in die Hand nehmen
Die Würfel sind gefallen. Das Volk hat die Buhmänner abgewählt. Doch die neue Regierung kann und wird die Wünsche der Kritiker landauf, landab nicht erfüllen können.

Vor drei Jahren forderte der Beginn des Ukrainekriegs die volle Aufmerksamkeit der „Ampel“. Die neue große Herausforderung für die zukünftige Regierung und für unsere Wirtschaft heißt Donald Trump. Sein Zollregime und sein NATO-Verständnis drohen große Löcher in das Staatssäckel zu reißen. Nach dem anstehenden Kassensturz dürften viele angedachte Wohltaten ausbleiben. Nüchternheit ist angesagt. Und die Rufe nach dem Staat werden abnehmen.
Schiffe werden für die See und nicht für den Hafen gebaut
In Kürze erscheint die neue Ausgabe der „HR Performance“. Seit über 30 Jahren versteht sich die Zeitschrift als Impulsgeber und Gradmesser der Digitalisierung im Personalwesen. Wer dieses Mal zwischen und in den Zeilen liest, spürt die Zurückhaltung der Unternehmen und der Personalverantwortlichen. Die unsinnigen Diskussionen über „Krankmacher“ und die „Faule Generation Z“ schaden unserem Land und den Menschen. Sie spiegeln nicht die Wahrheit wider. Deutschland war und bleibt ein tüchtiges Land. Es wird zu viel über Probleme lamentiert und zu wenig über Lösungen diskutiert. Es braucht einen Kulturwandel und den Mut von der Investitionsbremse zu treten.
Fast täglich kommen neue Lösungen und Innovationen für die HR-Welt auf den Markt. Sie stehen für Visionen, neue Wege, neue Möglichkeiten, gesuchte Lösungen, Motivation und Einsparungen. Bei unseren Kontakten mit Personalverantwortlichen stellen wir fest, dass viel über die Verbesserung der Prozesse und über neue Collaborationssoftware gesprochen wird. Diese Diskussionen gibt und gab es schon immer. Sie reichen aber nicht, sie vernebeln nur. Täglich kommunizieren wir mit Chatbots. Warum nutzen erst ca. 3 Prozent der Personalabteilungen diese Möglichkeiten?
Gestern (26. Februar 2025) stellte die HHL (Leipzig Graduate School of Management) „Timotar“ ihren neuen KI-Avatar vor. Er ist der neue Professor für Wirtschaftspsychologie, Führung und Gemeinwohl. Der interaktive Sprach- und Chatbot gibt fundierte Antworten auf wirtschaftspsychologische und führungsbezogene Fragen. Er steht Studierenden, Führungskräften und allen Interessierten rund um die Uhr und ohne Anmeldung kostenfrei zur Verfügung – in fast 30 Sprachen. Timotar lernt mit jeder Interaktion dazu und entwickelt sich kontinuierlich weiter. 26 Studierende nutzen Timotar bereits im Rahmen einer Lehrveranstaltung. 80 Prozent bescheinigen ihm fundiertes Wissen. 88 Prozent der Studierenden sind interessiert daran, KI-Systeme aktiv in ihrem Alltag zu integrieren. Natürlich lässt sich noch vieles optimieren. Das war aber schon so vor 50 Jahren, als die ersten HR-Softwarelösungen auf dem Markt kamen. Damals sprach man despektierlich von „Bananensoftware“, die erst beim Kunden reifte. Den Mut von damals, sich auf das Neue einzulassen, wünschen wir uns auch von den Entscheidern heute. Schiffe müssen aufs Meer und nicht im Hafen ständig perfektioniert werden. Nur so können die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden.
Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie
Diese Erkenntnis stammt von Ludwig Erhard. Er gilt als Vater der sozialen Marktwirtschaft. Seine Botschaft ist schon 60 Jahre alt, aber immer noch gültig. Wir wissen alle, dass die Lage unserer Wirtschaft besser ist, als die Stimmung. Im neuen „Index Recruiting Report 2024“ schreibt Jürgen Grenz, dass inzwischen 29 Prozent der Unternehmen auf Retention setzen. Manche nennen das auch das „Neue Recruiting“. Klar dürfte sein, dass die alten Heilsversprechen nicht mehr reichen, um die Generation Y und Z zu halten und zu gewinnen. Diese Generationen sind mit Spielen groß geworden. Sie spielen auf Sieg und Neustart. Sie können mit Niederlagen umgehen. Sie sind mit den permanenten Veränderungen vertraut. Sie suchen und setzen auf das Neue. Mit den Tüftlern, Erfindern und Innovatoren hat es unser Land zu einer der führenden Wirtschaftsnationen gebracht. Damit das auch unter der neuen Regierung – der wir viel Erfolg wünschen – so bleibt, braucht es mehr Mut und Gestaltungsfreiheiten in den Personalabteilungen und in den Unternehmen. Es lohnt sich, die Zügel fester in die Hand zu nehmen. Dann kommt wieder mehr Bewegung in die Wirtschaft. Und davon profitieren alle.

Franz Langecker
Chefredakteur HR Performance