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Warum schräge Lebensläufe Gold wert sind : Quereinsteiger*innen wanted

Oft werden Quereinsteiger*innen zunächst mit Risiken assoziiert: längere Einarbeitung, fehlendes Fachwissen, unübliche Biografien. Doch die vermeintlichen Schwächen erweisen sich schnell als Stärken.

4 Min. Lesezeit
Quereinsteiger, Kind mit Brille und Mütze zeigt mit Finger auf
Foto: ©AdobeStock/Jenny Sturm

Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Bis 2030 werden sich rund 70 % der heute gefragten Fähigkeiten wandeln. Technologien entwickeln sich weiter, Geschäftsmodelle verändern sich und ganze Branchen wandeln sich in rasantem Tempo. In dieser Dynamik verlieren klassische Karrierepfade ihre Aussagekraft. Ein Lebenslauf verrät meist, welche Stationen jemand durchlaufen hat, aber er zeigt nicht, wie schnell und flexibel eine Person lernen kann, wie offen sie für Neues ist oder welche ungewohnten Perspektiven sie in ein Team einbringt. Gerade in Zeiten, in denen Unsicherheit und Veränderung zum Normalzustand werden, zählen Lernbereitschaft, Anpassungsfähigkeit und Neugier mehr als lückenlose Biografien. Das eröffnet eine große Chance: Quereinsteiger*innen.

Ungewöhnliche Wege – neue Perspektiven

Menschen, die beruflich neue Wege einschlagen, bringen oft genau die Eigenschaften mit, die Unternehmen heute brauchen. Sie haben sich bereits bewiesen, indem sie den Mut aufgebracht haben, ihr Tätigkeitsfeld zu wechseln und zeigen damit, dass sie Veränderung nicht scheuen, sondern aktiv gestalten.

Eine ehemalige Pflegekraft bringt etwa nicht nur medizinisches Wissen mit, sondern vor allem die Fähigkeit, in unvorhersehbaren Situationen Prioritäten zu setzen und unter Druck handlungsfähig zu bleiben. Künstler*innen oder Comedians sind es gewohnt, flexibel auf neue Situationen zu reagieren, schwierige Inhalte auf den Punkt zu bringen und haben dabei immer den direkten Draht zu Publikum und ihrer Zielgruppe. Ein*e Ex-Schädlingsbekämpfer*in verfügt ebenfalls über analytisches Denken, systematische Vorgehensweisen und eine hohe Problemlösungskompetenz – Fähigkeiten, die in ganz anderen Branchen unverzichtbar sind. Auch Quereinsteiger*innen aus der Gastronomie bringen wertvolle Fähigkeiten für andere Berufe mit: Als Servicekräfte oder Kellner*in haben sie gelernt, Zeit- und Stressmanagement zu meistern, flexibel zu improvisieren, Verantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten und souverän mit unterschiedlichsten Menschen umzugehen – Kompetenzen, die in fast jeder Branche gefragt sind.

Diese ungewöhnlichen Hintergründe sind kein Zufallsergebnis, sondern wertvolle Ressourcen. Sie fördern die Innovationskraft eines Unternehmens, weil sie eingefahrene Muster durchbrechen und Perspektiven ins Team bringen, die sonst fehlen. Teams, die verschiedene berufliche Welten miteinander vereinen, entwickeln häufiger neue Ideen, reagieren flexibler auf Herausforderungen und bauen eine besondere Resilienz gegenüber Veränderungen auf.

Vielfalt jenseits von Herkunft und Alter

Vielfalt wird in vielen Unternehmen inzwischen als wichtiger Erfolgsfaktor anerkannt. Oft liegt der Fokus dabei jedoch auf Herkunft, Alter oder Geschlecht. Ebenso bedeutsam ist die Vielfalt der Lebenswege. Sie entscheidet darüber, wie breit das Kompetenzspektrum eines Teams ist und wie stark es von verschiedenen Denkansätzen profitieren kann.

Während früher ein „Bruch im Lebenslauf“ oft skeptisch betrachtet wurde, gilt er heute zunehmend als Beleg für Anpassungsfähigkeit, Mut und Lernbereitschaft. Wer Menschen mit ungewöhnlichen Biografien eine Chance gibt, erhält Mitarbeitende, die Organisationen dynamischer, kreativer und zukunftsfähiger machen. 

Strukturen für Integration

Damit Quereinsteiger*innen ihre Stärken entfalten können, braucht es jedoch bewusst gestaltete Strukturen. Im Recruiting bedeutet das zum Beispiel, weniger Gewicht auf lückenlose Karrieren zu legen und stattdessen Potenziale sichtbar zu machen: Welche Fähigkeiten hat jemand in einem völlig anderen Kontext erworben, die für die neue Rolle nützlich sein können?

Auch beim Onboarding lohnt ein Umdenken. Wer bisher in einer ganz anderen Branche gearbeitet hat, braucht möglicherweise einen flexibleren Einarbeitungsplan, der Raum für individuelles Lernen lässt. Mentoring-Programme helfen, schnell ein Netzwerk aufzubauen und kulturelle Unterschiede in der Arbeitsweise zu überbrücken. Ergänzend können gezielte Weiterbildungsangebote eingesetzt werden, um fehlende Fachkenntnisse auszugleichen.

Solche Maßnahmen sind keine Sonderbehandlung, sondern Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens. Denn sie schaffen Strukturen, in denen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen erfolgreich zusammenarbeiten können – ein entscheidender Faktor in einer Zeit, in der Anpassungsfähigkeit über den Erfolg von Organisationen entscheidet. 

Chancen statt Risiken

Oft werden Quereinsteiger*innen zunächst mit Risiken assoziiert: längere Einarbeitung, fehlendes Fachwissen, unübliche Biografien. Doch die vermeintlichen Schwächen erweisen sich schnell als Stärken. Gerade weil diese Mitarbeitenden nicht den klassischen Weg gegangen sind, bringen sie neue Ideen ein, hinterfragen Routinen und sorgen für frische Impulse.

Ungewöhnliche Lebensläufe sind also kein Stolperstein, sondern ein Motor für Entwicklung. Sie machen Teams vielfältiger, kreativer und widerstandsfähiger und genau das brauchen Unternehmen, um in einem dynamischen Umfeld zu bestehen.

Fazit

Quereinsteiger*innen zeigen, dass Karrieren heute selten geradlinig verlaufen und dass genau darin ihr Wert liegt. Sie verkörpern die Lernbereitschaft und Flexibilität, die Organisationen in einer sich wandelnden Arbeitswelt dringend brauchen. Wer bereit ist, ungewöhnliche Biografien nicht als Makel, sondern als Bereicherung zu betrachten, investiert nicht nur in einzelne Mitarbeitende, sondern in die Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens.

André Busack-Schmidt
Foto: ©orderbird

André Busack-Schmidt

Mit über sechs Jahren Erfahrung als Senior People & Culture Manager bei orderbird begleite ich Führungskräfte und Teams in sämtlichen People-Belangen – von Recruiting, People Analytics und arbeitsrechtlicher Beratung bis zur Optimierung interner Prozesse. Ich unterstütze, analysiere und gestalte und sorge dafür, dass People & Culture nicht nur mitläuft, sondern echte Veränderung möglich macht. Am liebsten dort, wo Menschen, Daten und Kultur aufeinandertreffen.

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