Rückkehr ins „überwachte“ Büro oder „Freiheit“ im Homeoffice? : Warum der Kampf um das hybride Arbeiten jetzt eskaliert
Viele Mitarbeitende schätzen die Flexibilität hybrider Modelle und sehen die zunehmende Präsenzpflicht kritisch. Welche Auswirkungen hat also dieser Rückwärtstrend? Und wie lässt sich der Spagat zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gelebter Praxis bewältigen? Zwei Perspektiven – aus Forschung und Praxis – im Dialog.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren radikal gewandelt. Während einige Unternehmen weiterhin auf Präsenz setzen, sind hybride Modelle in vielen Branchen zur neuen Norm geworden. Die Verteilung – ob Präsenz, hybrid oder vollständig remote – variiert stark nach Branche, Unternehmensgröße und Region.
Im Jahr 2024 dominierte mit 64 Prozent der Trend zu hybriden Modellen, wie die State of Hybrid Work-Studie 2024 von Owl Labs zeigt. Gleichzeitig arbeiten sechs Prozent komplett remote und 30 Prozent im Büro. Laut dem Ifo-Institut (2023) findet vollständige Präsenz vor allem in der produzierenden Industrie und im Handwerk statt, wo physische Anwesenheit unverzichtbar ist. Interessanterweise berichten 31 Prozent der Beschäftigten, dass ihr Arbeitgeber im letzten Jahr die Richtlinien für Remote- oder Hybridarbeit angepasst hat.
Doch jetzt kippt der Trend: Laut einer Studie von JLL (2024) nimmt die Anzahl der Bürotage wieder zu und liegt derzeit bei durchschnittlich 3,6 Tagen pro Woche. Besonders in der IT-/Telekommunikationsbranche haben sich Anwesenheitsregelungen verschärft: Die durchschnittlichen Bürotage pro Woche stiegen auf 3,8.
Während 2023 noch fast 80 Prozent der Beschäftigten überwiegend im Homeoffice oder flexibel arbeiten konnten, sind es 2024 nur noch 33 Prozent. Große Konzerne, wie Google, Amazon, JP Morgan oder die Deutsche Bank, drängen auf Rückkehr ins Büro – oft unter dem Argument der Produktivität und Unternehmenskultur.
Viele Mitarbeitende hingegen schätzen die Flexibilität hybrider Modelle und sehen die zunehmende Präsenzpflicht kritisch. Welche Auswirkungen hat also dieser Rückwärtstrend? Und wie lässt sich der Spagat zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gelebter Praxis bewältigen? Zwei Perspektiven – aus Forschung und Praxis – im Dialog.
Warum verschärft sich die Diskussion um das hybride Arbeiten? Die Diskussion um das hybride Arbeiten spitzt sich unserer Ansicht nach deshalb zu, weil die Interessen von Unternehmen und Mitarbeitenden zunehmend auseinandergehen. Auf der einen Seite betonen Unternehmen die Vorteile der Büropräsenz: persönliche Interaktion, stärkere Teamdynamik und eine lebendige Unternehmenskultur. Viele Führungskräfte befürchten, dass Produktivität und Innovationskraft ohne regelmäßige Präsenz leiden könnten.
Gleichzeitig schwingt bei vielen Führungskräften die Sorge mit, dass Mitarbeitende im Homeoffice weniger produktiv sein könnten. Der fehlende direkte Einblick in das Team erschwert die Kontrolle und nährt das Misstrauen, ob tatsächlich produktiv gearbeitet wird.
Diese Skepsis basiert oft auf traditionellen Denkmustern, die Anwesenheit mit Leistung gleichsetzen, oder auf negativen Erfahrungen mit schwer erreichbaren Mitarbeitenden. Hinzu kommt die Befürchtung, dass mangelnde Kommunikation und fehlender Austausch die Zusammenarbeit beeinträchtigen könnten.
Auf der anderen Seite schätzen Mitarbeitende die Flexibilität hybrider Modelle, die ihnen eine bessere Work-Life-Balance, weniger Pendelzeiten und mehr Autonomie bieten. So führt die Forderung nach einer deutlichen und unflexiblen Rückkehr zu Präsenzmodellen zunehmend zu Unzufriedenheit – bis hin zur verstärkten Kündigungsbereitschaft – unter den Mitarbeitenden. In Zeiten des Fachkräftemangels birgt dies für Unternehmen ein erhebliches Risiko.
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