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Wie HR Konflikte im Team erkennt und wirksam interveniert

Teams sind soziale Systeme, in denen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Rollen und Werten aufeinandertreffen. Anstatt nach einem Schuldigen zu suchen – was meist zu Verteidigung, Rechtfertigung und weiterer Verhärtung führt – sollte die HR-Abteilung den Blick auf die Funktion des Konflikts richten: Worum geht es hier wirklich?

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Zwei Personen lesen 66 bzw 99 jeweils aus ihrer Perspektive und symbolisieren ein Missverständnis bzw einen Konflikt
Foto: ©AdobeStock/Ieremy

Teamkonflikte werden häufiger und komplexer. Gründe dafür sind einerseits die höheren Anforderungen, die oft mit weniger Arbeitskräften erledigt werden müssen. Andererseits spielen die veränderten Teamstrukturen wie Remote-Arbeit eine Rolle, ebenso die Diversität von Teams u. a. in Bezug auf Generationen und Kulturen.

Die Mitarbeiter der HR-Abteilung spielen eine zentrale Rolle dabei, Teams (wieder) ins Gleichgewicht zu bringen. Das gilt bei typischen Konfliktsituationen wie wahrgenommenen Ungerechtigkeiten, fehlender Führung oder Unzuverlässigkeit, die das Vertrauen mindert. Aber wie kann HR in dieser Rolle wirksam und nachhaltig unterstützen?

Warnsignale für Teamkonflikte erkennen

Konflikte entstehen selten über Nacht, meist kündigen sie sich an. Häufige Anzeichen sind:

  • Die Stimmung kippt und Zynismus, Misstrauen und Spannungen treten auf.
  • Immer dieselben sprechen, andere ziehen sich zurück.
  • Vereinbarungen werden nicht eingehalten.
  • Informationen fließen nur selektiv.
  • Klagen über Überforderung.

Konflikte entziehen einem Team Energie und binden Kapazitäten. Statt an einem Strang zu ziehen, beschäftigen sich die Mitglieder mit Fragen wie „Wer hat was gesagt?“ oder „Warum darf eine Person etwas, die andere aber nicht?“. Dadurch entsteht schnell ein Teufelskreis: Aufgaben bleiben liegen, das Teamergebnis verschlechtert sich, der Druck wächst und der Konflikt schaukelt sich hoch.

 

Die Rolle von HR in Konfliktsituationen

Als Bindeglied zwischen Unternehmen und Mitarbeitern bilden HRler meist eine höhere Instanz, die bei Konflikten als Vermittler eingeschaltet wird. Ziel dabei sind zwischenmenschliche oder individuelle Lösungen für komplexe Probleme. Doch hier stoßen klassische Personaler mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung oft an ihre Grenzen. Denn für die tiefgreifenden Veränderungen der modernen Arbeitswelt gibt es keine Erfahrungswerte. Das gilt insbesondere für Konflikte in Teams, in denen Menschen mit unterschiedlichen Werten und Perspektiven aufeinandertreffen.

Personaler haben die Aufgabe, Konfliktpotenziale zu erkennen, präventiv zu handeln und Prozesse zu moderieren, indem sie zum Beispiel Perspektivwechsel ermöglichen. Um dies leisten zu können, sind drei neue Kompetenzen für HR wichtig:

  • Systemisches Denken – das große Ganze verstehen.
  • Beziehungsarbeit – Vertrauen aufbauen und erhalten.
  • Konfliktmoderation – sachlich vermitteln und Perspektivwechsel ermöglichen.

 

HR muss Teams als Systeme verstehen

Teams sind soziale Systeme, in denen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Rollen und Werten aufeinandertreffen. Jeder bringt Prägungen aus anderen Systemen wie Familie, Glaubensgemeinschaft oder Kultur mit. Daraus entstehen individuelle Wahrnehmungen und Dynamiken, die die Zusammenarbeit beeinflussen. Systemisch gedacht geht es bei Konflikten nicht um Schuld, sondern um die Wechselwirkungen zwischen Personen, Regeln und ihrer Umwelt.

Wer als Personaler nicht systemisch denkt, schaut aber bei einem Konflikt nur auf die Ursache und verfängt sich in der  Suche nach dem „Schuldigen“. Das führt teilweise zu Verzerrungen. Sündenböcke werden erzeugt. Jemand, der Schuld bekommt, verteidigt sich. Verhärtungen entstehen. So eskaliert ein Konflikt.

 

Dysfunktionale Teams: Wenn Zusammenarbeit nicht (mehr) funktioniert

Teams haben immer einen Auftrag. Sie erfüllen ihre Aufgabe dann maximal gut, wenn alle Teammitglieder an einem Strang ziehen. Nicht, wenn jeder seine partikularen Interessen vertritt. Das hat Auswirkungen auf das Arbeitsklima, die Leistung, die Gesundheit der Mitarbeiter sowie ihre Zufriedenheit. Dysfunktionale Teams machen niemanden glücklich. Unwohlsein kommt auf. Wer kann, geht. Wer nicht kann, macht frustriert Dienst nach Vorschrift.

Bestimmte Team-Dynamiken können bestehende Konflikte noch verstärken:

  • Das Drama-Dreieck aus Täter/Verfolger, Opfer und Retter: Manche übernehmen ungefragt Verantwortung, andere fühlen sich übergangen oder reagieren mit Angriff.
  • Loyalitätskonflikte: Mitglieder müssen sich zwischen Teamzusammenhalt und Loyalität zur Führungskraft entscheiden.
  • Mikro-Eskalationen: Missverständnisse werden nicht geklärt und summieren sich.
  • Schattenführung: Einzelne Personen ziehen im Hintergrund die Fäden, ohne offizielle Verantwortung.
  • Ungleichgewicht von Geben und Nehmen: Einzelne Teammitglieder leisten dauerhaft weniger, ziehen sich aus der Verantwortung oder schießen wiederholt quer. Das belastet und frustriert das gesamte Team. Andere kompensieren das durch Überverantwortung – oft zu ihrem eigenen Nachteil.

 

Fünf Tipps für HR im Umgang mit dysfunktionalen Teams

Der Grundsatz im Umgang mit Teamkonflikten lautet: Anerkennen, was ist – und lösungsorientiert damit umgehen.

Anstatt nach einem Schuldigen zu suchen – was meist zu Verteidigung, Rechtfertigung und weiterer Verhärtung führt – sollte die HR-Abteilung den Blick auf die Funktion des Konflikts richten: Worum geht es hier wirklich? Welche Bedürfnisse stehen dahinter? Was braucht das Team, um wieder arbeitsfähig zu werden? Diese Haltung entlastet nicht nur das System, sondern öffnet den Weg für echte Klärung und Entwicklung.

Was HR konkret tun kann:

  1. Konflikte frühzeitig ernst nehmen: Auch „kleine Reibereien“ können Symptome tieferliegender Spannungen sein. Wer hier aktiv handelt, verhindert, dass sich die Fronten verhärten und Konflikte eskalieren.
  2. Neutralität prüfen: Kann HR die Situation selbst professionell begleiten oder braucht es externe Unterstützung?
  3. Führungskräfte entlasten: Nicht jeder Konflikt ist Führungsversagen. HR kann helfen, die Verantwortung zu teilen.
  4. Strukturelle Ursachen erkennen: Viele Konflikte sind systembedingt, nicht persönlich. Sie entstehen zum Beispiel durch Zielkonflikte, unklare Rollen oder widersprüchliche Erwartungen.
  5. Für psychologische Sicherheit sorgen: Konflikte brauchen Räume, in denen Menschen offen reden dürfen, ohne Angst zu haben. HR kann helfen, solche Räume zu schaffen, indem sie vertrauensvolle Feedbackkultur etablieren und offen kommunizieren.

 

Konfliktlösung durch Teamcoaching

Ein professionelles Teamcoaching bietet genau diesen Raum, um Muster sichtbar und besprechbar zu machen – ohne Schuldzuweisungen. Mit gezielten Fragen und Methoden unterstützt ein externer Coach das Team dabei, sich selbst zu reflektieren, Perspektiven auszutauschen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

Im Teamcoaching achtet der Coach darauf, dass sachliche Themen von Beziehungsaspekten getrennt werden. So kann er mögliche Teufelskreise zwischen einzelnen Mitgliedern identifizieren und auflösen. Im Teamcoaching gewinnt das Team ein gemeinsames Verständnis seiner Funktion, entwickelt gemeinsam motivierende Ziele und legt fest, mit welchen Teilschritten sie diese erreichen können.

Teamcoaching ist keine Feel-Good-Maßnahme, sondern ein strukturierter Reflexions- und Veränderungsprozess. Typische Anlässe für ein Teamcoaching sind:

  • Leistungsabfall oder Teamkrisen
  • Konflikte, Mobbing oder gestörte Kommunikation
  • Veränderungen und Umstrukturierungen (zum Beispiel personelle Wechsel oder neue Hierarchien)

 

Fazit zur Rolle von HR in Teamkonflikten

Konflikte sind Teil jeder Teamdynamik – entscheidend ist der Umgang damit: Statt Konflikte zu vermeiden, sollte HR sie als Chance für Entwicklung begreifen. Wer aktiv für psychologische Sicherheit sorgt, ermöglicht bessere Kommunikation und fördert die Resilienz der Mitglieder sowie des gesamten Teams. Denn die Basis dafür ist Vertrauen, das nur in Sicherheit entstehen kann. Professionelle Maßnahmen wie Teamcoaching können dabei unterstützen und Teams nachhaltig stärken.

 

Dr. Gerhard Helm
Foto: ©Münchner Akademie für Business Coaching

Dr. Gerhard Helm ist Gründer und Geschäftsführer der Münchner Akademie für Business Coaching und seit 25 Jahren als Business Coach tätig. Als solcher unterstützt er insbesondere Führungskräfte bei ihren Herausforderungen im Alltag. Dabei spielen sowohl sein therapeutischer Hintergrund als Psychologe als auch sein Studium der Philosophie eine entscheidende Rolle, denn beide Felder finden sich auch im Coaching wieder.

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