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Führen ohne Gnade – aber freundlich : Warum modernes Leadership ohne Autorität nicht funktionieren kann.

„Statt sich ständig selbst in der Zuständigkeit zu sehen, sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitenden unmissverständlich zu verstehen geben, dass es in ihrer Verantwortung liegt, die Probleme in ihrem Bereich zu lösen“, unterstreicht der Trainer und Hochschuldozent.

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Freundliche Chefin vor ihrem Team
Foto: ©AdobeStock/Studio Romantic

Um Fachkräfte zu halten, setzen immer mehr Unternehmen auf moderne Führung, die Mitarbeitenden viele Freiheiten zugesteht. In der Praxis ist dieser Ansatz jedoch oft zum Scheitern verurteilt, sagt Matthias Clesle, der seit mehr als 20 Jahren in der Personalentwicklung tätig ist. Viele Führungskräfte sind überfordert und klagen über Mitarbeitende, die ihnen auf der Nase herumtanzen. Um das Problem zu lösen, müssen Vorgesetzte wieder mehr Autorität an den Tag legen, gerade wenn sie ihr Team liberal und fortschrittlich führen wollen.

„Ohne Gnade, aber freundlich“ nennt Clesle diese Herangehensweise. Gemeint ist moderne Mitarbeiterführung, bei der die Autorität nicht unter den Tisch fällt, sondern fester Bestandteil ist. Das bedeutet: Vorgesetzte gehen auf ihre Mitarbeitenden weiterhin empathisch ein und zeigen Verständnis, wenn es Probleme gibt.

„Aber sie bewahren gleichzeitig ihre Autorität und Durchsetzungsstärke“, betont der erfahrene Führungskräfte-Trainer. „Sie sind klar und verbindlich in ihren Aussagen, lösen konsequent Konflikte und bestehen darauf, dass ihre Mitarbeitenden Ergebnisse erzielen.“ Dadurch sorgen sie in eigenständig arbeitenden Teams für die nötige Klarheit, Transparenz und Struktur und schaffen einen verlässlichen Rahmen, damit moderne Führungsstile reibungslos funktionieren können.

Störenfriede nicht dulden

Fehlt dieser Rahmen, gerate das Arbeitsklima fast zwangsläufig in Schieflage, so wie es viele Führungskräfte derzeit berichten, sagt Clesle. Der Grund: Im Zeichen von modernem Leadership habe sich das hierarchische Gefälle in vielen Unternehmen gedreht. Einige Mitarbeitende würden ihre Vorgesetzten infolgedessen nicht mehr als solche ansehen. „Stattdessen dehnen sie immer mehr ihre Freiheiten in einem ungesunden Maß aus oder benehmen sich unangebracht“, so der Unternehmenscoach.

Verstärkt werde diese Entwicklung noch durch den Fachkräftemangel. Er trage dazu bei, dass schlechte Verhaltensweisen heutzutage häufiger geduldet werden – aus Angst, der Mitarbeitende könnte kündigen. Clesle sieht darin das geringere Übel. Viel nachteiliger wirke es sich für Betriebe aus, wenn sie Störenfriede dauerhaft tolerieren. Das fatale Signal, das sie damit ans restliche Team aussenden, sorge dafür, dass langfristig Produktivität und Stimmung sinken.

Mitarbeitende in die Pflicht nehmen

Statt die Situation weiter so hinzunehmen, rät der Experte dazu, Autorität in modernem Leadership nicht auszuschließen, sondern mit ihren positiven Aspekten anzuerkennen. Aber wie gelingt es, Mitarbeitende „ohne Gnade, aber freundlich“ zu führen? „Einfacher als viele Geschäftsführer und Vorgesetzte annehmen“, sagt Clesle, der das Führungsmodell bereits in etlichen Unternehmen erfolgreich etabliert hat. Am wichtigsten sei, dass Führungskräfte Durchsetzungsstärke zeigen und Verlässlichkeit ausstrahlen. Das funktioniere am besten, wenn sie klar kommunizieren, was sie erwarten, was zu tun ist und wo sie die Verantwortlichkeit sehen.

Gerade hier liegt bei vielen Firmen der Hase im Pfeffer: „Statt sich ständig selbst in der Zuständigkeit zu sehen, sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitenden unmissverständlich zu verstehen geben, dass es in ihrer Verantwortung liegt, die Probleme in ihrem Bereich zu lösen“, unterstreicht der Trainer und Hochschuldozent. Der Vorgesetzte stellt lediglich alle dafür notwendigen Ressourcen bereit. Eine wichtige Frage, die Chefs ihrem Team demnach regelmäßig stellen sollten, lautet: „Wie kannst du sicherstellen, dass dieses Problem zukünftig nicht mehr auftritt?“.

Konsequenz und Fairness

Was sich laut Clesle vielerorts ebenfalls ändern muss: Konflikte nicht zu meiden, sondern frühzeitig und konsequent anzupacken, damit sie das Arbeitsklima nicht unnötig belasten. Im Alltag kann das zum Beispiel ein Mitarbeitender sein, der regelmäßig zu spät kommt. „In diesem Fall würde die Führungskraft ihn oder sie direkt auf das Verhalten ansprechen“, sagt Clesle. Kommt die Person weiterhin nicht pünktlich, findet anschließend ein offizielles Gespräch dazu statt. Darin treffen beide Seiten eine verbindliche Vereinbarung darüber, wie der Mitarbeitende das Problem künftig lösen möchte. Hält er oder sie sich nicht daran, sollte der Vorgesetzte nicht zögern, die nächsten Schritte zu gehen – wenn nötig bis hin zu arbeitsrechtlichen Sanktionen.

Was moderne Leader bei aller Konsequenz jedoch nicht vergessen sollten, ist, ihren Mitarbeitenden gegenüber weiterhin fair und verständnisvoll zu bleiben, betont der Unternehmenstrainer. Nicht umsonst hat sein Führungskonzept den Nachsatz „Ohne Gnade, aber freundlich“. In diesem Sinne sollten Vorgesetzte heikle Gespräche in vertrauensvoller Atmosphäre stattfinden lassen, ihrem Gegenüber aufmerksam zuhören und Verständnis für die Ursache zeigen.

So lassen sich die Vorteile einer durchsetzungsstarken, klaren Führung sinnvoll mit modernem, eigenverantwortlichem Arbeiten verbinden: Die Mitarbeitenden fühlen sich wertgeschätzt und profitieren gleichzeitig von mehr Struktur, Klarheit und Transparenz.

Autor: Matthias Clesle arbeitet seit rund 20 Jahren in der Personalentwicklung als Berater, Trainer und Speaker, https://matthiasclesle.com/.

 

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