Fairness in der Personaleinsatzplanung
Wie weit der Egoismus Einzelner heute zuweilen geht, zeigt sich auch daran, dass gelegentlich Teilzeit-Begehren von Mitarbeiter*innen gemäß § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) dazu instrumentalisiert werden, mittels geringfügiger Verkürzungen der Vertragsarbeitszeit eine bestimmte diesbezügliche Verteilung zu erreichen.
Unser Autor, Dr. Andreas Hoff, Spezialist für Arbeitszeitsysteme aller Art, plädiert – angesichts der für die meisten Arbeitnehmer*innen grundsätzlich unattraktiven Arbeitszeiten im Schichtbetrieb – für geeignete Instrumente, die die Berücksichtigung der individuellen Arbeitszeit- und Freizeitinteressen der Beschäftigten erleichtern.
Personaleinsatzplanung ist immer dann erforderlich, wenn Arbeitsplätze zu bestimmten Zeiten sicher besetzt sein müssen. Dabei geht es in aller Regel auch um nach gängigen Standards „unsoziale“ Zeiten außerhalb des Tagdienstes an Werktagen Montag bis Freitag – also am Spätnachmittag, am Abend, nachts (hier kommen potenziell noch langfristige Schädigungen der physischen Gesundheit hinzu), am Wochenende und/oder an Feiertagen. Angesichts des für viele Arbeitnehmer*innen immer höheren Stellenwerts von Work-Life-Balance ist es daher von großer Bedeutung, dass es bei der Zuordnung der einzelnen Schichten, Dienste bzw. – wenn es wegen in[1]stabiler Besetzungsbedarfe keine Festlegungen von Arbeitsbeginn und/oder -ende geben kann – wechselnden Einsatzzeiten zu den einzelnen Mitarbeiter*innen wenigstens fair zugeht.
Es ist schließlich schon schwer genug, Mitarbeiter*innen für Schichtbetriebe aller Art zu gewinnen und, was vielleicht noch wichtiger ist, darin zu halten – weil es gerade für die Qualifizierten unter ihnen fast immer möglich ist, stattdessen einen Tagdienst-Job zu bekommen, mit den hier heute weitgehend üblichen hohen Freiheitsgraden hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort, die im Schichtbetrieb jedenfalls in dieser Weise nicht geboten werden können.
Fairness muss dabei nicht notwendig die Gleichverteilung aller erforderlichen Einsatzzeiten bedeuten, wie sie insbesondere klassische starre Schichtpläne kennzeichnet, die gerade auch aus diesem Grund für viele Arbeitnehmer*innen unattraktiv sind. Vielmehr bedeutet Fairness im Zeitalter der Individualisierung das fortlaufende Streben danach, den Arbeitszeit- und Freizeit-Interessen der einzelnen Mitarbeiter*innen weitestmöglich gerecht zu werden, ohne es dabei zu ungerechtfertigten Bevorzugungen Einzelner kommen zu lassen.
Wie schwierig diese Aufgabe für die jeweils Disponierenden – das können Führungskräfte, spezielle Disponent*innen oder die Mitarbeiter*innen im Team selbst sein – ist, lässt sich an einem Ergebnis einer von der Continental AG in Auftrag gegebenen repräsentativen Befragung aus 2023 erkennen, wonach 63 Prozent der bis zu 57-jährigen Arbeitnehmer*innen – also nicht nur die Angehörigen der oft geschmähten „Gen Z“! – der Aussage voll und ganz bzw. eher zustimmen, dass ihnen Flexibilität und ihre Work-Life-Balance wichtiger sind als die Interessen ihrer Kolleg*innen und die Anforderungen des Unternehmens.
Wie weit der Egoismus Einzelner heute zuweilen geht, zeigt sich auch daran, dass gelegentlich Teilzeit-Begehren von Mitarbeiter*innen gemäß § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) dazu instrumentalisiert werden, mittels geringfügiger Verkürzungen der Vertragsarbeitszeit eine bestimmte diesbezügliche Verteilung zu erreichen.
Diese Anträge z. B. sind in den letzten Jahren höchstrichterlich als rechtsmissbräuchlich abgelehnt worden:
- Reduzierung der Vertragsarbeitszeit um 3,29 Prozent zwecks Freistellung vom 22.12.–3.1. (BAG, Urteil vom 11.6.2013 – 9 AZR 786/11);
- Reduzierung des Beschäftigungsgrades von 75 Prozent auf 74,79 Prozent, um damit eine Freistellung in den (Ferien-)Monaten April, August und Dezember zu erreichen zur Ablösung einer Arbeitszeit-Reduzierung in den geraden Kalendermonaten um jeweils 50 Prozent (LAG Hessen, Urteil vom 21.9.2017 – 11 Sa 1495/16);
- Reduzierung der Vertragsarbeitszeit um 7,7 Prozent, um eine Freistellung an 28 zusammenhängenden Tagen ab Beginn der jeweiligen Sommerschulferien in Nordrhein-Westfalen zu erreichen (LAG Köln, Urteil vom 18.1.2018, 7 Sa 365/17);
- 11/12-Teilzeitarbeit mit arbeitsfreiem August (der ja immer in die bayerischen Sommerferien fällt) (LAG Nürnberg, Urteil vom 27.8.2019 – 6 Sa 110/19);
- Reduzierung der Vertragsarbeitszeit, mit dem Ziel, keine Einbringstunden leisten zu müssen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.10.2021 – 5 Sa 707/21).
Für unser Thema besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang ein aktuelles Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern (vom 13.7.2023 – 5 Sa 139/22), das einer alleinerziehenden Verkäuferin einen Anspruch darauf versagte, nur noch (a) in der – zeitlich angepassten – Mittelschicht und nicht mehr in Früh- und Spätschicht und (b) nur noch MO–FR eingeplant zu werden.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 1/2024.