Künstliche Intelligenz im Video-Recruiting – ein Realitätscheck
Welche Einsatzszenarien sind realistisch? Und welche Chancen und Risiken birgt der Einsatz von künstlicher Intelligenz? Diese Fragen werden im Folgenden, mit einem Fokus auf den Bereich Video-Recruiting, als einen speziellen Teilbereich des Recruitings, diskutiert. Die Verwendung des übergeordneten Begriffs KI schließt hier auch den neueren Teilbereich GenAI mit ein.

Unsere AutorInnen, Franziska Dieckhans und Prof. Dr. Wilhelm Mülder, zeigen in ihrem neuesten Beitrag auf, wie Künstliche Intelligenz im Video-Recruiting aussehen könnte. Dabei beleuchten sie auch die Herausforderungen beim Einsatz von KI und geben praktische Tipps zur Umsetzung.
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst im Recruiting angekommen – von virtuellen Assistenten, die Fragen von Bewerbenden auf Unternehmenswebseiten beantworten, über Matching-Algorithmen zur Identifikation passender Kandidatenprofile bis hin zur automatisierten Erstellung von Stellenausschreibungen. Doch trotz dieser Fortschritte steht die Branche erst am Anfang eines umfassenderen Wandels.
Die Veröffentlichung des GenAI-Modells ChatGPT hat das Potenzial von KI wieder vermehrt ins Rampenlicht gerückt und das Interesse an innovativen KI-Lösungen angefacht. Studien wie die von McKinsey & Company prognostizieren, dass GenAI bis zu 70 Prozent der Arbeitszeit beanspruchenden Aktivitäten automatisieren könnte. Besonders im Bereich Human Resources liegt der Fokus auf der Optimierung von Recruiting-Prozessen, um repetitive Aufgaben zu reduzieren und mehr Raum für strategische Entscheidungen zu schaffen.
Doch welche Einsatzszenarien sind realistisch? Und welche Chancen und Risiken birgt der Einsatz von künstlicher Intelligenz? Diese Fragen werden im Folgenden, mit einem Fokus auf den Bereich Video-Recruiting, als einen speziellen Teilbereich des Recruitings, diskutiert. Die Verwendung des übergeordneten Begriffs KI schließt hier auch den neueren Teilbereich GenAI mit ein.
KI im Recruiting
Mithilfe von KI lassen sich Recruiting-Prozesse optimieren, um repetitive und administrative Aufgaben zu reduzieren und so mehr Zeit für Bewerbende und strategische Themen zu schaffen.
Heutzutage bereits viel genutzt sind vor allem virtuelle Assistenten, Matching-Algorithmen sowie Stellenausschreibungsgeneratoren. Virtuelle Assistenten, oft auch als Chatbot bezeichnet, sind häufig auf Karriereseiten zu finden, z. B. bei BASF, und ermöglichen es den Bewerbenden, schnell und einfach passende Jobangebote oder Antworten auf bestimmte Fragen zu finden.
Matching-Tools wie z. B. die von Jobmatch oder Textkernel können dabei unterstützen, passende Kandidatenprofile für bestimmte Stellenausschreibungen zu finden oder Lebensläufe und Interview-Transkripte mit Stellenanforderungen abzugleichen. Tools zur automatisierten Stellenausschreibungserstellung, beispielsweise in softgarden oder SAP SuccessFactors, können Recruitern nicht nur viel Schreibarbeit abnehmen, sondern achten auch auf eine zielgruppengerechte und inklusive Formulierung.
Video-Recruiting
Video-Recruiting ist ein spezialisierter Teilbereich des Recruitings und setzt das Medium Video entlang des gesamten Recruiting-Prozesses ein. Das Thema ist kein neues Phänomen mehr, hat aber in den letzten Jahren vor allem durch die Coronakrise einen Aufschwung erlebt. Viele Unternehmen verlegen Vorstellungsgespräche heute in den virtuellen Bereich, wodurch Recruiting-Prozesse schneller und flexibler werden.
Video-Recruiting steht aber für so viel mehr als für Interviews per Microsoft Teams, Zoom, oder dezidierten Video-Recruiting-Plattformen. Video-Recruiting steht für den Einsatz des Mediums Video entlang des gesamten Recruiting-Prozesses, von der Talentansprache und -gewinnung, über die Vorauswahl, bis hin zur finalen Auswahl und Einstellungsentscheidung. In der Talentansprache sind vorrangig Videobotschaften, z. B. in der Direktansprache über Social Media sowie Video-Stellenanzeigen bekannt.
Im Bereich der Vorauswahl sind zeitversetzte Videointerviews beliebt. Sie erlauben es Bewerbern, voreingestellte Fragen jederzeit und von überall in einem vorgegebenen Zeitrahmen per Video zu beantworten. Durch den Einsatz von Video können Unternehmen ihre Prozesse nicht nur effizienter, sondern auch persönlicher und ansprechender gestalten. Video ist nicht nur eins der wichtigsten Medien der jüngeren Generation, sondern vermittelt Informationen auch schneller und langfristiger als bspw. das Medium Text.
Die Abbildung 1 zeigt typische Video-Recruiting-Touchpoints entlang eines exemplarischen Recruiting-Prozesses. Bislang sind Erfahrungen zum praktischen Einsatz von KI im Bereich Video-Recruiting noch begrenzt, außerdem existieren hierzu noch keine wissenschaftlichen Studien.
Abb. 1: Video-Recruiting-Touchpoints entlang eines exemplarischen Recruiting-Prozesses (Eigene Darstellung in Anlehnung an Dessain,
2016, S. 18).
Chancen und Herausforderungen
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch den Einsatz von KI für den Bereich Video-Recruiting? Diese Fragestellung wurde mithilfe einer systematischen Literaturrecherche, Experteninterviews sowie einer Umfrage im Zeitraum Februar 2024 bis August 2024 genauer untersucht. Die Literaturrecherche wurde vor allem in multidisziplinären Datenbanken wie Science-Direct oder Web of Science durchgeführt.
Für die Experteninterviews wurden fünf Experten aus verschiedenen Bereichen und aus verschiedenen HR-Tech-Positionen befragt, um eine möglichst umfangreiche Perspektive zu erhalten.
Es handelte sich u. a. um einen Head of Product eines Bewerbermanagementsystems sowie eine Project Lead HR Solutions einer großen Bank. Die abschließende Umfrage richtete sich an Nutzer einer Video-Recruiting-Plattform, die in der Rolle Recruiter regelmäßig das System nutzen.
Einsatzpotenziale
In der Literatur werden Potenziale von KI vor allem in den Recruiting-Prozess-Abschnitten „Vorbereitung“, sowie „Vorauswahl“ und „Auswahl“ gesehen (s. Abbildung 1). Oft genannte Beispiele sind die zielgruppenspezifische Erstellung von Recruiting-Strategien, Stellenausschreibungen sowie Interviewfragen. Der Einsatz von KI verspricht hier Effizienzsteigerungen durch die Unterstützung bei operativen und strategischen Recruiting-Aufgaben.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 1/2025.