Kolumne: HR-Recruiting muss sich restrukturieren
Das Ende der großen Jobbörsen ist mehr als ein Marktphänomen – es ist ein Signal für einen grundlegenden Wandel im Recruiting. Jetzt ist die Zeit, neue Wege zu denken und den Arbeitsmarkt mit Innovation und Technologie neu zu gestalten.

Im HR-Recruiting geht die „Monster“-Ära zu Ende. Seit 2000 bietet Monster in Deutschland Online-Recruiting-Dienstleistungen an. Das Unternehmen, das 1994 als Pionier in den USA gestartet war, zieht sich im August aus Europa zurück. Die Webseite soll bereits Ende August schließen. Mehr als 220 Mitarbeitende sind von den Kündigungen betroffen. Monster war ein Pionier im deutschen Jobbörsenmarkt.
In den USA hat Job.com bereits Insolvenz angemeldet, und Indeed & Glasdoor gehen zusammen und haben ihrerseits 1.200 Mitarbeitende entlassen. Damit kündigt sich das Ende der alten Jobbörsenwelt an, wie wir sie in den letzten 25 Jahren erlebt haben. Monster war nicht nur ein Leuchtturm auf den HR-Messen. Dort hat die Szene legendäre Partys gerockt. Das Unternehmen wird auf der Jubiläumsmesse in Köln im September fehlen.
Das Ende des Arbeitsmarktwachstums zeichnete sich bereits mit Beginn der Pandemie 2020 ab. Verschiedene Krisen und Veränderungen haben die Recruitingwelt im wahrsten des Wortes geschreddert. Die anhaltende Wirtschaftsflaute und der Abgang der Boomer-Generation schrumpfen und wandeln den Arbeitsmarkt. Tausende Mitarbeitende sind in den letzten Monaten und Jahren bereits weitgehend sozialverträglich entlassen worden. Und viele folgen noch.
Wirtschaft und Arbeitsmarkt leben von echten Innovationen und starken Impulsen
Angesichts dieser Entwicklungen darf man sich allen Ernstes fragen, in welcher Welt unsere Wirtschaftsministerin Katarina Reiche lebt, wenn sie erklärt: „Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwerbslebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.“ In den Statistiken kann jeder nachlesen: Die Lebenserwartung bei Männern liegt in Deutschland aktuell bei 78,9 Jahren. „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten,“ forderte Bundeskanzler Friderich März unlängst.
Am 30. Juli kam die Meldung, dass der Haushaltsausschuss in Berlin 208 neue Beamtenstellen durchgewunken hat. Wie schön wäre es gewesen, wenn der Bundeskanzler mit gutem Beispiel vorangegangen wäre und diese Zahl – wenn schon nicht gestrichen – aber wenigstens eingespart hätte. Flotte Sprüche und schlechte Beispiele bringen die Wirtschaft nicht weiter.
Angesichts des massiven Stellenabbaus im Lande, kann man die Klagen über den Fachkräftemangel nicht ernst nehmen. Aufhorchen lässt die Kritik an der Bundesagentur für Arbeit. „Gingen 2015 noch 13,2 Prozent aller Jobwechsel auf eine direkte Vermittlung der Nürnberger Behörde und ihrer lokalen Ableger zurück, waren es 2024 nur noch 4,9 Prozent“, berichtet die „Bild“-Zeitung. Die Zahl der Arbeitslosen liegt derzeit bei 2,9 Mio.. Was wissen wir eigentlich über dieses ungenutzte Potenzial?
Innovationshub, KI und Analytics für den Arbeitsmarkt
Monster 2 ist nicht im Anmarsch. Deshalb lohnt es sich in Zeiten von KI über neue Visionen in der Arbeitsmarktwelt nachzudenken. Hunderttausende Ukrainerinnen sind top ausgebildet und scheitern an unserer Bürokratie und Mentalität. Azubis mit ausländisch klingenden Namen, werden trotz besserer Zeugnisse abgelehnt, berichtet eine aktuelle Studie der Uni-Siegen. Prof. Dr. Eckehard A. Köhler stellt fest: „Wir produzieren uns den Fachkräftemangel zum Teil dadurch selbst.“
Endlos scheint die Zahl der Migranten, deren Qualifikationen hier nicht anerkannt wurden und werden. Das ist schwer zu verstehen, wenn man sich einmal die Zahl der Minister vornimmt, die ohne passende Qualifikation ihr Amt ausübten und ausüben. Deutschland verzwergt sich selbst.
Zwei Anregungen zum Schluss. Die Analysesoftware Palantir ist ins Gerede gekommen. Am 6. Juli läuft dazu eine Doku in der ARD. Sie wird in einigen Bundesländern von der Polizei und den Sicherheitsbehörden genutzt und dort bereits als unentbehrlich angesehen. Ihre Stärke ist die Verknüpfung und Auswertung von unzähligen Daten und Informationen. Wie wäre es mit einer „SAP-Arbeitsmarktsoftware“, die alle in- und offiziellen Bedarfe, Qualifikationen und Fähigkeiten kennt, analysiert, vermittelt und optimiert?
Es wäre schön, wenn sich ein deutsches „Monster“ um dieses Thema kümmern würde. Das Projekt ließe sich mit kleinen lokalen oder regionalen Hubs starten. KI könnte im Voraus Bedarfe erkennen und Qualifizierungen empfehlen. Die Menschen wünschen sich interessante Tätigkeiten und Herausforderungen. Firmen kommen und gehen, aber die Aufgaben bleiben. Wir leben in einer volatilen Arbeitswelt. Dem muss der Arbeitsmarkt endlich Rechnung tragen.

Franz Langecker
Chefredakteur HR Performance



