Datenschutz für (Schwer-)Behinderte bei der Bewerbung : Ein Konflikt zwischen Schutzpflicht und informationeller Selbstbestimmung
Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber erhalten unter der Vorgabe des § 2 Abs. 1 SGB IX über das allgemeine Benachteiligungsverbot des AGG hinaus zusätzlichen Schutz nach den §§ 164 und 165 SGB IX. Arbeitgebern ist es nach § 164 Abs. 2 S. 1 SGB IX untersagt, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen, wobei behinderte Menschen ggf. schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (§ 151 Abs. 2 SGB IX).
In seinem neuen Beitrag erläutert der Datenschutz-Spezialist, Professor Peter Gola, wie nach der aktuellen Rechtsprechung bei der Erhebung der Schwerbehinderteneigenschaft bei externen Bewerbern der Selbstbestimmung Rechnung zu tragen ist und wieweit das auch bei internen Bewerbungen gilt. Spezifika gelten dabei im öffentlich Dienst. Gegebenenfalls ist eine finanzielle Entschädigung bei Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch zu zahlen.
Der Schutz nach AGB
Beschäftigten – zu denen begrifflich auch schon Bewerber gezählt werden (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG) – wird Schutz vor Diskriminierung wegen einer Behinderung zum einen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewährt (§ 1 und § 7 Abs. 1 AGG). Ohne zwingenden sachlichen Grund dürfen u. a. behinderte Bewerber (§ 1 AGG) nicht dadurch benachteiligt werden, dass sie wegen ihrer Behinderung vom Zugang zu unselbstständiger Arbeit ausgeschlossen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Ist die Behinderteneigenschaft dem Arbeitgeber bekannt, ist die Einhaltung der Schwerbehindertenschutzvorschriften eine Arbeitgeberpflicht, von der der Bewerber nicht durch Verzicht befreien kann.
Kennt der Arbeitgeber die Behinderung, so ist er bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zum einen zum Schadensersatz (§ 15 Abs. 1 AGG) und zum anderen zur Erstattung des erfolgten Nichtvermögensschadens durch eine Entschädigung in Höhe vom maximal drei Monatsgehältern verpflichtet, auch wenn der Bewerber bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 15 Abs. 2 AGG). Auf schuldhaftes Handeln oder eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an. Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann schließlich nur beanspruchen, wer sich beworben und nicht nur ein Interesse bekundet hat.
Zum anderen muss die Anerkennung vorliegen und sich nicht noch im Antragsverfahren befinden. Hingewiesen werden muss aber auch darauf, dass die missbräuchliche Beanspruchung von Entschädigung im Rahmen sog. AGG-Hoppings weiterhin eine Rolle spielt.
Der zusätzliche Schutz nach dem SGB IX
Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber erhalten unter der Vorgabe des § 2 Abs. 1 SGB IX über das allgemeine Benachteiligungsverbot des AGG hinaus zusätzlichen Schutz nach den §§ 164 und 165 SGB IX. Arbeitgebern ist es nach § 164 Abs. 2 S. 1 SGB IX untersagt, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen, wobei behinderte Menschen ggf. schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (§ 151 Abs. 2 SGB IX).
Das Miteinander der Normen
Der Schutz aus AGG und SGB IX greift ineinander. Verletzt ein Arbeitgeber seine Pflichten nach den §§ 164, 165 SGB IX, rechtfertigt dies die Vermutung einer Benachteiligung auch nach dem AGG (§ 164 Abs. 2 SGB IX). Gemäß § 22 AGG besteht die Beweislast dahin gehend, dass, wenn eine Partei Indizien vortragen kann, die eine untersagte Benachteiligung vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß vorgelegen hat. Ein solches Indiz ist u. a., dass, entgegen § 165 Satz 1 SGB IX, der ausgeschriebene, mit schwerbehinderten Menschen besetzbare Arbeitsplatz nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet wurde.
Bemerkenswert ist, dass es nach aktueller Entscheidung des BAG genügt, eine allein „behauptete“ Vermutung vorzutragen. Noch anders hatte das BAG9 entschieden, als der Arbeitgeber dem Entschädigungsanspruch wegen Nicht-Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung entgegenhielt, dass es keine solche gebe.
Nach dem BAG für die durch den Gesetzverstoß ausgelöste Vermutungswirkung ist dies unerheblich, wenn sich der öffentliche Arbeitgeber im Übrigen gesetzeskonform verhalten hat.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der HR Performance 3/2024.