Wenn Veränderungsmüdigkeit Unternehmen lähmt
Letztendlich muss die Frage gestellt werden: Ist es an der Zeit, dass Unternehmen den Takt von Veränderungen neu justieren und einen ausgeglicheneren Ansatz zum organisatorischen Wandel verfolgen? Vielleicht liegt die Antwort nicht in einer Erhöhung der Veränderungsfrequenz, sondern in einer sorgfältigeren, mitarbeiterzentrierten und wertorientierten Steuerung des Wandels.
In einer Ära permanenter Transformation, die den Wandel zur einzigen Konstante erhebt, stehen Organisationen vor der Herausforderung, sich kontinuierlich zu adaptieren und zu innovieren.
Dabei stellt nicht die Geschwindigkeit der Veränderungen die größte Herausforderung dar, sondern vielmehr die Fähigkeit der Führungskräfte, Teams so zu leiten, dass dabei Innovation gefördert und Widerstandsfähigkeit sowie Engagement gestärkt werden. Doch was geschieht, wenn das unaufhörliche Tempo des Wandels das Personal an den Rand der Erschöpfung bringt?
Ein Phänomen, das in Fachkreisen als „Veränderungsmüdigkeit“ identifiziert wird. Denn die Ermüdung durch ständige Veränderungen ist ein Warnsignal, das nicht übersehen werden darf – es zeigt die Auswirkungen des Fortschritts auf die Menschen. Im schlimmsten Fall hat diese Müdigkeit sowohl Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Belegschaft als auch auf die Leistungsindikatoren der Organisation.
Ursachen von Veränderungsmüdigkeit in der Belegschaft
Die im Journal „Public Money & Management“ erschienene Studie „Repetitive reorganizations, uncertainty and change fatigue“ (de Vries & de Vries, 2023) offenbart eine Vielzahl von Ursachen: der stete Reorganisationszyklus, die Furcht vor Arbeitsplatzverlust oder schlicht die Überforderung durch rapide Transformationen. Veränderungsmüdigkeit entsteht aus der Wahrnehmung einer Überdosis an Wandel, einer Wahrnehmung, die tief in der Mitarbeiterpsyche verwurzelt ist und ihre Anpassungsfähigkeit an weitere Veränderungen beeinträchtigt.
In der Praxis manifestiert sich Veränderungsmüdigkeit in einem erkennbaren Muster: nachlassende Unterstützung für neue Initiativen, schwindendes Vertrauen in die Führungsebene und eine generelle Resistenz gegenüber weiterem Wandel. Die Konsequenzen sind gravierend: abfallende Produktivität und ein gestiegenes Risiko, dass neue Reformen scheitern.
Reaktion auf Veränderungsmüdigkeit: Wege für Organisationen
Es zeigt sich, dass neben der Quantität besonders die Qualität des Veränderungsmanagements kritisch ist. Umsichtige Change-Management-Strategien und Initiativen zur Kulturtransformation sind zwar essenziell, doch oft mangelt es an einer Auseinandersetzung mit den Kernproblemen.
Letztendlich muss die Frage gestellt werden: Ist es an der Zeit, dass Unternehmen den Takt von Veränderungen neu justieren und einen ausgeglicheneren Ansatz zum organisatorischen Wandel verfolgen? Vielleicht liegt die Antwort nicht in einer Erhöhung der Veränderungsfrequenz, sondern in einer sorgfältigeren, mitarbeiterzentrierten und wertorientierten Steuerung des Wandels.
Fazit
Veränderung ist ein kontinuierlicher, dynamischer Prozess, der stetig gepflegt und neu bewertet werden muss. Um Veränderungsmüdigkeit zu überwinden und eine Kultur zu etablieren, die Veränderung nicht nur akzeptiert, sondern mit offenen Armen empfängt, ist ein strategischer Umschwung vonnöten. Am Anfang eines jeden Transformationsprozesses sollte immer eine detaillierte Situationsanalyse stehen, aus der eine strategische Roadmap abgeleitet werden kann, die über alle Ebenen im Unternehmen hinweg kommuniziert wird.
Daraus lassen sich Ansätze wie ein „Change Café“ entwickeln, bei dem sich Mitarbeiter aktiv an dem Veränderungsprozess beteiligen können und Ideen und Lösungen erarbeiten. Das kann sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch den Teamgeist innerhalb der Belegschaft erhöhen. Auch Leadership-Workshops zur Führungskräfteentwicklung können zu messbaren Veränderungen im Unternehmen beitragen und das Vertrauen in die Führung stärken. Diese Ansätze rüsten Organisationen in Zeiten des Wandels, um zukünftige Herausforderungen proaktiv anzugehen und nachhaltiges Wachstum zu sichern.
Tipps gegen Veränderungsmüdigkeit
Um Veränderungsmüdigkeit wirksam entgegenzutreten, sind daher folgende Punkte unumgänglich:
- Transparente Kommunikation: Mitarbeiter müssen den Sinn hinter den Veränderungen verstehen und ihren persönlichen Nutzen erkennen.
- Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einbinden: Studien belegen, dass Mitarbeiter Veränderungen eher akzeptieren, wenn sie an deren Gestaltung beteiligt waren.
- Führungskompetenz zeigen: Führungskräfte müssen inspirierende und unterstützende, transformative Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Autor: Sascha Hackstein ist Geschäftsführer von Berndtson Interim, www.berndtsoninterim.de.