Künstliche Intelligenz – ein Gamechanger in der Weiterbildung?
Die traditionellen Lehrmethoden, die primär auf eine Weitergabe von Fachwissen abzielen, bereiten die Lernenden nicht mehr adäquat auf die Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt vor. Somit wird es in der Ära der künstlichen Intelligenz immer wichtiger, den Fokus der (Weiter-)Bildung von der reinen Wissensvermittlung hin zur Schulung im Umgang mit der KI zu verlagern.

Was kommt da noch auf uns zu? Das fragen sich zurzeit viele im HR- und Weiterbildungsbereich tätige Personen angesichts der vielen KI-Tools, die aktuell gefühlt täglich auf den Markt geworfen werden. Klar ist nur: Der Weiterbildungsmarkt wird sich nachhaltig verändern.
Die Weiterbildungsbranche steht an der Schwelle einer beispiellosen Revolution, in der die künstliche Intelligenz (KI) das individuelle Lernen neu definieren und gestalten wird. Obwohl eine genaue KI-Definition noch fehlt, erleben wir bereits, wie generative KI-Systeme eine beeindruckende Interaktion mit dem Menschen ermöglichen, indem sie auf Anfragen reagieren und komplexe Aufgaben mit einer Präzision und Geschwindigkeit ausführen, die bisher unvorstellbar waren.
Die aktuellen Fortschritte in der KI-Technologie reichen von der Sprachgenerierung, bei der KI-Systeme unsere Aussprache erlernen und Texte in jeder denkbaren Sprache erstellen, bis hin zu Video-Tools, die realistische Avatare generieren. Ein Paradebeispiel hierfür ist ChatGPT, ein System, das nicht nur komplexe Textgenerierungsaufgaben bewältigt, sondern auch die Fähigkeit besitzt, die Umgebung des Nutzers zu erkennen und sprachlich mit ihm zu interagieren. Doch beim Erkunden der vielen KI-Anwendungsmöglichkeiten sollte man nie vergessen: Diese Technologie birgt auch das Risiko einer Totalüberwachung in sich.
Digitale Lernassistenten – die Zukunft der Weiterbildung?
In diesem Spannungsfeld steht die Weiterbildungsbranche vor der Herausforderung und Chance, die KI als ein Werkzeug zur Förderung eines individuellen Lernens zu nutzen. Eine der für die Bildungsbranche interessantesten Neuerungen ist das Entstehen digitaler Lernassistenten, die den Lernenden rund um die Uhr zur Verfügung stehen und sie beim Lernen unterstützen. Solche Assistenten existieren bereits – zum Beispiel gemeinsam entwickelt von den Organisationen Khan Academy, Microsoft und OpenAI. Ihr Einsatz wird das Lernen revolutionieren, unter anderem, weil sie den Lernenden ermöglichen, zeit- und ortsunabhängig mit einem persönlichen digitalen Tutor zu interagieren, der sie durch den Lernprozess führt.
Ein mögliches Weiterbildungsszenario ist: Die Mitarbeitenden der Unternehmen organisieren künftig ihr Lernen mithilfe digitaler Lernassistenten weitgehend selbst – bequem und bedarfsorientiert. Ergänzend dazu finden Austausch-Runden der Lernenden statt, die auf den sozialen Aspekt des Lernens und ihre Entwicklung abzielen. Diese werden von Trainern moderiert. Damit wäre das klassische Berufsbild des Trainers als Wissensvermittler passe. An seine Stelle würde das eines Lernbegleiters treten, der Coaching-Skills braucht.
Neuausrichtung der Bildung – vom Fachwissen zur KI-Kompetenz
Derzeit gibt es noch keine aussagekräftigen Studien über den praktischen Einsatz von KI im Weiterbildungsbereich. Klar ist jedoch, in der Ära der künstlichen Intelligenz wird es immer wichtiger, den Fokus der (Weiter-)Bildung von der reinen Wissensvermittlung hin zur Schulung im Umgang mit der KI zu verlagern, denn: Die traditionellen Lehrmethoden, die primär auf eine Weitergabe von Fachwissen abzielen, bereiten die Lernenden nicht mehr adäquat auf die Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt vor.
KI-Systeme können heute bereits eine Fülle von Informationen verarbeiten und komplexe Aufgaben lösen, die zuvor menschlichen Experten vorbehalten waren. Im Sinne der Kompetenzorientierung müssen Weiterbildner sich deshalb fragen, welche Kompetenzen sie und ihre Kollegen in Zukunft brauchen, denn: Ihre Funktion ist es, Menschen für die künftige Arbeitswelt zu qualifizieren, und in dieser werden KI-Systeme nahezu omnipräsent sein. Also brauchen die Mitarbeitenden teils andere Kompetenzen.
Optimistisch oder euphemistisch betrachtet, könnten sich die Menschen bzw. Mitarbeitenden künftig beim Weiterbilden weitgehend darauf konzentrieren:
- ihr kritisches Denken und ihre Problemlöse-Kompetenz zu entwickeln sowie
- die KI-Tools effektiv zu nutzen, die sie nicht nur beim Lernen, sondern auch bei ihrer Arbeit unterstützen.
Und bei ihrer Alltagsarbeit könnten sie sich weitgehend auf deren komplexere und kreativere Aspekte konzentrieren, da ihnen KI-Systeme viele (Teil-)Aufgaben abnehmen werden. Studien zeigen jedoch: Die KI schneidet in Sachen Kreativität – zumindest bei den klassischen Kreativitätstests – oft ebenso gut, zuweilen sogar besser als der Mensch ab. Das zeigt, die Frage, wie sich künftig die Arbeitsteilung zwischen Mensch und KI gestaltet, ist noch weitgehend ungeklärt.
Viele nicht nur didaktische Fragen sind noch ungeklärt
Die KI-Verwendung im Bildungsbereich wirft viele didaktische Fragen auf. So zum Beispiel, wie künftig Prüfungen und Tests durchgeführt werden. Nötig ist ein Ansatz, der die KI in den Prüfungsprozess integriert, zum Beispiel, indem man bei schriftlichen Arbeiten die Nutzung von ChatGPT zulässt. Entsprechende Änderungen der Prüfungsordnungen finden derzeit an vielen Hochschulen statt. Das heißt, die Studierenden bzw. Lernenden sollen künftig zum Beispiel genau darlegen, wie sie die KI beim Erstellen ihrer prüfungsrelevanten Arbeiten genutzt haben, indem sie ihre Vorgehensweise und die verwendeten Befehle (die sogenannten „Prompts“) dokumentieren. Diese Dokumentation fließt dann in die Bewertung ein.
In der kommenden Zeit gilt es für die Profis im Weiterbildungsbereich passende Use Cases für den KI-Einsatz zu identifizieren, denn aktuell werden zwar viele neue Tools vorgestellt, es fehlen aber in der Regel noch Fallbeispiele, wie diese effektiv in der Weiterbildung genutzt werden können. Der Grund: Die im Bildungsbereich tätigen Personen werden aktuell sozusagen von der Tool-Entwicklung überrollt. Sie kommen kaum nach, die Tools auszuprobieren und zu reflektieren, wie sie diese für ihre Ziele und die der Teilnehmenden nutzen könnten.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 2/2025.