Welche Wochen-Höchstarbeitszeit darf‘s denn sein?
Laut Vertrag der schwarz-roten Koalition soll „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ geschaffen werden. Unser Autor Dr. Andreas Hoff hat sich als Erster darüber Gedanken gemacht, wie hoch eine solche wöchentliche Höchstarbeitszeit sein sollte.

Laut Vertrag der schwarz-roten Koalition soll „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ geschaffen werden, wobei „kein Beschäftigter gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden (darf)“ (Zeilen 558ff.). Auch wenn ich die gegen die Abschaffung oder weitere Auflockerung der aktuellen 10-Stunden-Grenze für die Tagesarbeitszeit geäußerten Bedenken1 teile: Nachfolgend geht es nur darum, wie dieses Vorhaben ggf. umgesetzt werden sollte.
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit in der EU-Arbeitszeitrichtlinie
Beginnen wir mit der „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie“ zu schaffenden wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Eine solche ist jedoch in der EU-Arbeitszeitrichtlinie gar nicht vorgesehen. Geregelt ist hierin in Artikel 6 nur, dass „die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen (treffen), damit … die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet“. Als Bezugszeitraum ist in Artikel 16 b) der EU-Arbeitszeitrichtlinie „bis zu vier Monate“ vorgeschrieben.
Somit bleibt festzuhalten:
• Nicht die Woche, sondern der Siebentageszeitraum ist zu Grunde zu legen.
• In der EU-Arbeitszeitrichtlinie gibt es keine auf diesen Zeitraum bezogene Höchstarbeitszeit, weil die maximal 48 Stunden nur im Durchschnitt von bis zu vier Monaten eingehalten werden müssen.
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz
Auch im deutschen Arbeitszeitgesetz gibt es aktuell keine auf die Woche oder den Siebentageszeitraum bezogene allgemeine Höchstarbeitszeit. In § 3 ArbZG ist nur geregelt, dass im Durchschnitt von grundsätzlich 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen werktäglich nicht mehr als 8 Stunden gearbeitet werden darf, was – weil auch der Samstag ein Werktag ist – durchschnittlich 48h/w Arbeitszeit entspricht. Allerdings begrenzt die aktuelle gesetzliche Tages-Höchstarbeitszeit von 10 Stunden die Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum dann, wenn am Sonntag nicht gearbeitet werden darf, auf [6 x 10 =] 60 Stunden. Darf am Sonntag gearbeitet werden, kann pro Siebentageszeitraum nach richtiger, wenngleich umstrittener Auffassung sogar bis zu 70 Stunden gearbeitet werden: Weil Arbeit am Sonntag ja nicht innerhalb eines den betreffenden Sonntag umfassenden Siebentageszeitraums ausgeglichen werden muss.
Pro Siebentageszeitraum sollte nicht mehr als 60 Stunden gearbeitet werden dürfen
Entfällt nun die gesetzliche Tages-Höchstarbeitszeit (und sei es auch „nur“ auf arbeitnehmerseits freiwilliger Basis), darf bis zu 12 Stunden und 15 Minuten pro Tag gearbeitet werden: Weil gemäß Artikel 3 der EU-Arbeitszeitrichtlinie pro 24-Stunden-Zeitraum mindestens 11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit und gemäß § 4 ArbZG bei mehr als 9 Stunden Tagesarbeitszeit insgesamt 45 Minuten Pausenzeit gewährt werden müssen. Pro Siebentageszeitraum wären dann, wenn am Sonntag nicht gearbeitet werden darf, bis zu [6 x 12h15min =] 73,5 Stunden bzw. bei zulässiger Sonntagsarbeit sogar bis zu [7 x 12h15min =] 85,75 Stunden Arbeitszeit zulässig. Beide Werte liegen sehr deutlich über dem, was derzeit rechtlich möglich ist, und sind angesichts der mit über 10 Stunden hinaus verlängerten Tagesarbeitszeiten verbundenen Belastungen aus meiner Sicht gesundheitlich nicht vertretbar.
Auf dem anderen Extrem würde aber auch eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum die derzeitigen Flexibilitäts-Optionen deutlich einschränken und besonders im Schichtbetrieb zu erheblichen Problemen bei der Gestaltung von Schichtplänen führen.
Vor diesem Hintergrund sollte bei Entfall oder Lockerung der 10-Stunden-Grenze bei der Tagesarbeitszeit eine Höchstarbeitszeit von 60 Stunden im gleitenden (!) Siebentageszeitraum eingeführt und zugleich die Tagesarbeitszeit auf maximal 12 Stunden beschränkt werden, was innerhalb von beliebigen 7 Tagen in Folge maximal 5 über 10 Stunden hinaus verlängerte Arbeitstage erlauben würde. Dabei müsste es jedoch Öffnungsklauseln für Tarifregelungen hinsichtlich Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst analog zu den aktuell in § 7 (1) 1. a) ArbZG enthaltenen geben.
Für eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden pro beliebigem Siebentageszeitraum (168 Stunden) sprechen aus meiner Sicht diese Gründe:
- Eine so klare Vorschrift würde die diesbezügliche juristische Diskussion beenden.
- Sowohl die Tagesarbeitszeit von maximal 12 Stunden als auch die maximal 60 Stunden Arbeitszeit pro beliebigem Siebentageszeitraum entsprechen exakt üblichen aufsichtsbehördlichen Auflagen bei Genehmigungen von über 10 Stunden hinausgehenden Tagesarbeitszeiten auf der Grundlage von § 15 (1) 1. a) ArbZG, wie sie zum Beispiel für kontinuierliche Schichtbetriebe zur Erreichung zusätzlicher Freischichten erteilt werden können.
- Die Einschränkungen gegenüber den heute bei Einbeziehung des Sonntags maximal zulässigen 70 Stunden Arbeitszeit sind zwar durchaus spürbar, kommen jedoch dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen zugute. So wäre es unter diesen Umständen beispielsweise im Schichtbetrieb nicht mehr möglich, 7 Tage in Folge zu arbeiten, wenn unter der Woche 8 und Samstag und Sonntag 12 Stunden (jeweils zzgl. Pausen) zu arbeiten sind. Dagegen bliebe Arbeit an 7 Tagen in Folge – wie sie im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb häufig vorkommt – in normal langen Schichten à bis zu ca. 8,5 Stunden Arbeitszeit zulässig. Und in reinen 12-Stunden-Arbeitszeitsystemen führte diese Vorschrift zu einer angesichts des höheren Regenerationsbedarfs besonders wünschenswerten fortlaufenden Durchmischung von Arbeitstagen und freien Tagen.
Mein Vorschlag für den Fall, dass es tatsächlich zu einem Wegfall oder einer Auflockerung der 10-Stunden-Grenze kommt, wäre daher, den aktuellen § 3 ArbZG:
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
so oder ähnlich neu zu fassen, wobei zugleich der Bezugszeitraum an die EU-Arbeitszeitrichtlinie angepasst werden muss:
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 12 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von 4 Monaten2 im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Innerhalb eines beliebigen Siebentagezeitraums darf maximal 60 Stunden gearbeitet werden.
Verlängerungen über 10 Stunden hinaus bedürfen der Einwilligung des Arbeitnehmers (Textform). Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, wenn dieser eine solche Einwilligung nicht erklärt oder widerruft (Textform).3

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Quellen:
1 Siehe hierzu ausführlich Amélie Sutterer-Kipping / Laurens Brandt, Wöchentliche Höchstarbeitszeit: Gefahr für Vereinbarkeit und Gesundheit, HBS Kommentar 005, Juni 2025
2 Der verkürzte Bezugszeitraum bei Nacht- und Wechselschichtarbeit gemäß § 6 (2) ArbZG sollte beibehalten werden.
3 Hierbei habe ich mich an den gesetzlichen Regelungen zum Opt-out orientiert – vgl. § 7 (7) ArbZG.