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KI im Workforce Management

Kaum ein Anbieter von Workforce-Management-Systemen behauptet momentan nicht, in irgendeiner Form KI zu nutzen. Fragt man dann nach, was genau die KI-Funktionen sind, werden die Antworten schnell schwammig. Die bemerkenswerteste Antwort, die ich auf diese Frage bis dato bekommen habe, war folgende: „Je mehr Daten wir haben, desto besser werden die Ergebnisse“.

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Eine Collage mit gefalteten Händen, Menschen, die an einem Puzzle arbeiten, und Diagrammen, die diskutiert werden, veranschaulicht die Dynamik der Belegschaft. Die Bilder sind durch diagonale Linien unterteilt, was Teamarbeit, Zusammenarbeit und Geschäftsstrategie suggeriert. Digitale Symbole überlagern Teile der Collage.
Foto: ©AdobeStock/InfiniteFlow

Unser Autor, Guido Zander, Geschäftsführender Partner der SSZ Beratung und einer der Top 40 HR-Köpfe, beleuchtet in seinem neuen Beitrag für die HR Performance die aktuellen Entwicklungen bei Anwendungen von künstlicher Intelligenz (KI) im Workforce Management.

Kaum ein Anbieter von Workforce-Management-Systemen behauptet momentan nicht, in irgendeiner Form KI zu nutzen. Fragt man dann nach, was genau die KI-Funktionen sind, werden die Antworten schnell schwammig. Die bemerkenswerteste Antwort, die ich auf diese Frage bis dato bekommen habe, war folgende: „Je mehr Daten wir haben, desto besser werden die Ergebnisse“.

Das ist nicht unbedingt ein Beweis für KI, denn das gilt auch für jedes andere statistische Verfahren. Daher lohnt es sich, einmal genauer hinzusehen, welche Art von KI in dem Themenfeld eigentlich sinnvoll ist und auch angewendet wird.

Machine Learning oder KI?

Eine Form der KI ist beispielsweise das Machine Learning (ML). ML konzentriert sich darauf, aus großen Datenmengen Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen, die im Wesentlichen auf statistische Modelle zurückgreifen. Dabei lernt es aus Daten, trifft aber nicht zwingend autonome Entscheidungen.

Es ist also nicht falsch, diese Verfahren im weitesten Sinne auch als KI zu bezeichnen, sie haben aber nichts mit generativer KI à la ChatGPT zu tun. Denn generative KI zielt darauf ab, komplexe menschliche Aufgaben effizient zu erledigen und simuliert menschliche kognitive Funktionen mithilfe mathematischer und logischer Funktionen. Inwieweit kann Machine Learning nun im Workforce Management eingesetzt werden?

KI in der Personalbedarfsprognose

Bereits heute werden statistische Regressionsmodelle im Bereich Personalbedarfsprognose eingesetzt und erzielen dort gut Ergebnisse. Um jedoch diverse Trends und komplexe Saisonalitäten zu berücksichtigen, muss man massiv in die Algorithmen eingreifen. Diese Schwächen weist ein KI-basierter Forecast-Algorithmus wie z. B. Prophet nicht mehr auf. Er erkennt automatisch Ausreißer, Trends, tägliche, wöchentliche und saisonale Muster und ist einfacher zu bedienen und somit einem regressionsbasierten Algorithmus im Handling überlegen. Das muss allerdings nicht heißen, dass er automatisch bessere Ergebnisse liefert als eine durch viel Know-how angereicherte statistische Regression. Der Weg dorthin ist nur einfacher.

Auch beziehen sich die Algorithmen in der Regel nur auf die Daten eines Unternehmens und unter Umständen gibt es zu wenig Datenpunkte, um jedes Ereignis korrekt bewerten zu können. Nehmen wir als Beispiel die Auswirkung einer Baustelle auf den Personalbedarf einer Filiale eines Supermarktes. Selbst bei großen Ketten mit mehreren Tausend Filialen wird es pro Jahr nicht öfter als 100-mal vorkommen, dass es eine Baustelle gibt. Berücksichtigt man dann noch, dass die Art der Baustelle sehr unterschiedlich sein kann (z. B. Umbau von Teilbereichen der Filiale, Baustelle vor der Tür, Baustelle auf einer Zubringerstraße, etc.), dann gibt es nur noch wenige Datenpunkte je Baustellentyp und selbst die dürften sich in einer Innenstadtfiliale anders auswirken als auf dem Land.

Sowohl Machine Learning als auch ein KI-Algorithmus wie „Prophet“ stoßen hier aufgrund der geringen Datenmengen an ihre Grenzen. Dieser Punkt könnte überwunden werden, wenn in Cloud-Systemen die Daten aller Kunden gemeinsam ausgewertet werden können. Dies würde allerdings bedeuten, dass viele ähnliche Kunden auf der Plattform sind und ihre Freigabe zur Nutzung der Daten geben, was zumindest Stand heute noch nicht der Fall ist.

KI bei der Dienstplanerstellung

Auch bei der automatischen Generierung und Optimierung von Dienstplänen werden statistische Modelle verwendet. Hierbei wird auf Basis der Rahmenbedingungen wie z.  B. gesetzlichen Regelungen, Betriebsvereinbarungen, Arbeitszeitmodellen, Arbeitsverträgen und Wünschen der Mitarbeitenden ein optimaler Plan errechnet, der möglichst viele dieser Anforderungen berücksichtigt und ein Gesamtoptimum ermittelt. Aber auch diese Algorithmen haben nur entfernt etwas mit KI zu tun.

Einige Anbieter verfolgen nun das Ziel, dass sie überprüfen, in welcher Art und Weise der vorgeschlagene Plan im Nachgang durch die Planenden angepasst wird. Kommen einige Anpassungen immer wieder vor, dann soll das System diese Anpassungen nach der Optimierung automatisch durchführen. Das klingt auf den ersten Blick verlockend und sinnvoll, erspart es dem Planenden doch die Anpassungsarbeit, dennoch halte ich das Vorgehen für falsch. Der Optimierungsalgorithmus ermittelt unter den abgestimmten Kriterien den bestmöglichen Plan. Jede Abweichung davon weicht somit vom definierten Optimum ab. Wenn ein Plan also immer in derselben Art und Weise angepasst werden muss, dann könnte es sein, dass die definierten Kriterien nicht korrekt abgestimmt sind, und dann müsste man eher diese anpassen.

Außerdem könnte es auch sein, dass eine Korrektur vorgenommen wurde, weil der beste Freund des Planers immer Sonderwünsche erfüllt bekommt, und hier würde ich es infrage stellen, ob das wirklich automatisiert werden muss. Wenn überhaupt, dann müsste das System im Nachhinein vergleichen, welche Änderungen der Planenden den Einsatzplan rückblickend besser oder schlechter gemacht haben. Wenn die Änderung dazu geführt hat, dass der tatsächliche entstandene Bedarf besser getroffen wurde oder mehr Wünsche der Mitarbeitenden erfüllt werden konnten, ohne dass Arbeit liegen geblieben ist, dann waren die Änderungen positiv. Wurde aber z. B. ein Mitarbeiterwunsch gewährt und dafür mussten drei andere Mitarbeitende kurzfristig ihre Arbeitszeit anpassen oder der Bedarf wurde nicht gedeckt, dann sollte das System diese Anpassungen nicht unkritisch übernehmen.

KI als User-Interface

Wie geschildert, kann man die aktuell im Workforce Management verwendeten statistischen Modelle zwar entfernt mit KI in Verbindungen bringen, sie haben aber letztendlich nichts mit einer generativen KI wie z.  B. ChatGPT zu tun. Dies könnte sich aber im User Interface ändern. Die Konfiguration eines automatischen Dienstplans bzw. Optimierungsverfahrens ist aktuell sehr aufwendig, weil es sich nicht um deterministische, sondern heuristische Verfahren handelt. Konkret heißt dies, dass der zweifache Aufruf des Algorithmus bei identischer Ausgangslage zwar qualitativ eine ähnliches, aber inhaltlich ein anderes Ergebnis liefern wird. Bei der Einstellung der Kriterien weiß man nie genau, wie der Algorithmus darauf reagieren wird und muss diese in einem Trial-and-Error-Verfahren austesten.

Neben der Auswahl der Optimierungskriterien, beispielsweise Erfüllung von Mitarbeiterwünschen, Bedarfsdeckung, Einhaltung der Gesetze usw., kann auch deren Gewichtung festgelegt werden. Man könnte z. B. vorgeben, dass die Bedarfsdeckung gewährleistet sein soll, diese aber geringfügig abweichen darf, wenn man dafür mehr Wünsche der Mitarbeitenden erfüllen kann, die gesetzlichen Regelungen müssen aber zwingend eingehalten werden. Dieser einfach ausgesprochene Sachverhalt zieht einen nicht unerheblichen Konfigurationsaufwand mit unterschiedlichsten Gewichtungen und der Überprüfung nach sich, ob der generierte Plan den Anforderungen entspricht.

Wenn man an dieser Stelle eine KI hätte, der man umgangssprachlich genau diesen Wunsch „Generiere mir einen Plan nach folgenden Kriterien …“ übermittelt und die dann unterschiedlichste Konfigurationen ausprobiert, die Ergebnisse automatisch bewertet und den besten Plan auswählt, hätte man viel gewonnen. Zumal es durchaus sinnvoll sein kann, in unterschiedlichen Zeiten des Jahres mit unterschiedlichen Kriterien zu arbeiten.

So könnte man in einer Vorweihnachtswoche die Mitarbeiterwünsche weitestgehend ignorieren wollen, da man ohnehin alle Mitarbeitenden benötigt, während man in einer anderen Phase des Jahres weniger zu tun hat, und man den Wünschen der Mitarbeitenden mehr Priorität geben kann.

Fazit

Nicht überall, wo heute bei Workforce-Mangement-Systemen KI draufsteht, ist auch KI drin und ein gut gemachtes statistisches Verfahren kann bessere Ergebnisse liefern als eine schlecht gemachte KI. Es gibt aber sowohl im Bereich Personalbedarfsprognose als auch bei der Dienstplanerstellung erste sinnvolle Ansätze, die Erfolg versprechend aussehen.

Der Bereich der generativen KI wurde bis dato von keinem Anbieter umgesetzt, bietet zukünftig aber große Chancen für ein User Interface, in dem Pläne nicht mehr zusammengeklickt werden, sondern interaktiv generiert werden. Aufgrund der Begrenzung auf die eigenen Unternehmensdaten kann es aber sein, dass die Datenmenge nicht ausreicht, Algorithmen für alle möglichen Situationen entsprechend anzulernen.

Autor: Guido Zander ist Geschäftsführender Partner der SSZ Beratung und einer der Top 40 HR-Köpfe.

(erschienen in HR Performance 1/2025)

 

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