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Die Coach-Auswahl ist digital und ausgelagert

Heute, auf der Geschäftsleitungssitzung, wurde orientiert, dass die Gruppe „Leistungseinkauf“, die bislang in der Personalentwicklungsabteilung eingegliedert war, aus dem HR ausgelagert wird. Das Stichwort „Outsourcing“ schreckt keinen mehr auf. Dies kennen unterdessen alle, ist es doch eine Spezialität in Hannes Unternehmen geworden.

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Coach geschrieben auf Würfeln
Foto: ©AdobeStock/chrupka

Die Digitalisierung schlägt sich in allen Bereichen nieder, selbst dort, wo man sie vor kurzer Zeit noch als wenig sinnvoll erachtete. Hannes beginnt sich damit abzufinden, dass das Primat „Tun, was digital sinnvoll ist“ sich allmählich zu „Tun, was digital machbar ist“ verschiebt. Natürlich alles im Dienst der Effizienz. Einst war von „Kundenzentrierung“ und „Kundenerlebnis“ die Rede. Die Welle der Trends hat jetzt die kommunikative Zeitenwende eingeläutet und das hohe Lied der „Optimierung“ wird nun in der ersten Stimme gesungen.

Heute, auf der Geschäftsleitungssitzung, wurde orientiert, dass die Gruppe „Leistungseinkauf“, die bislang in der Personalentwicklungsabteilung eingegliedert war, aus dem HR ausgelagert wird. Das Stichwort „Outsourcing“ schreckt keinen mehr auf. Dies kennen unterdessen alle, ist es doch eine Spezialität in Hannes Unternehmen geworden. Der CEO ist überzeugt, dass man möglichst viel auslagern soll, nach dem Motto: „Wir arbeiten nicht nur, sondern wir lassen arbeiten“.

Die Fixkosten gehen so runter, und die variablen Kosten sind ohnehin schwer nachvollziehbar. Auszulagern macht vielerorts Sinn, das hat auch Hannes festgestellt. Die Frage, wo diese Gruppe neu angesiedelt ist, wurde beantwortet mit: „im System“. Nein, man hat keine neue Firma gegründet oder gekauft, man hat eine Plattform programmiert. Eine Plattform? Ja, das geht digital, sei einfach machbar, verkündet der zur Sitzung eingeladene CIO.

Das „System“ im Einsatz

Man habe bereits erste konkrete Erfahrungen mit dem System gemacht. Es funktioniere also. Der Case sieht nun vor: Wenn Hannes einen Coach sucht, denkt er nicht selbst darüber nach, wen er kennt. Auch die lästige Recherche im Internet kann er sich künftig getrost sparen. Dort finden sich sowieso nur die besten. Es ist ja klar: Niemand schreibt auf seiner Webseite, was er oder sie nicht kann.

Aber vielleicht mal eine verdienstvolle Kollegin oder einen alten Kollegen? „Ist nicht mehr nötig!“ triumphieren CIO und CEO. Hannes macht sich an die Arbeit. Er gibt das Profil eines gewünschten Coachs ein. Die Felder zum Anklicken sind zahlreich. Er beginnt zu testen. Coach w oder m oder d = egal, Sprache = DE mit etwas EN-Kenntnissen.

Unter absolvierte Ausbildungen kann man maximal fünf universitäre Abschlüsse anklicken, Berufserfahrung mit „eigener Führung“ wäre auch toll – am besten zehn Jahre. Beim Alter klickt Hannes eher auf jünger. Dann fehlt noch die Verfügbarkeit: nächste Woche. Preislich logischerweise lieber günstiger als teuer: maximal 1.200 Euro.

Das System schlägt nun drei Coachs vor. Hannes kann sie nicht direkt kontaktieren, sondern muss ihnen über den Button „Alle anfragen“ sein Anforderungsprofil zukommen lassen. Ein persönliches Wort ist nicht nötig, das würde schließlich den Effizienzfortschritt zunichtemachen. Einzig noch die Antwortfrist definieren und fertig ist Hannes.

Nach ein paar Tagen kommen die Rückmeldungen von zwei Coachs mit „Auftrag annehmen“ und von einem Coach mit „Auftrag abgelehnt“. Hannes kann immer noch keinen Kontakt aufnehmen, sondern muss jetzt „Killerkriterien“ für die zwei verbleibenden Coaches definieren, damit einer rausfällt. Schließlich gibt es die Möglichkeit, mit dem verbleibenden Auftragnehmer Kontakt im Teams-Chat aufzunehmen.

Es bleiben zwei Fragen offen

Hannes tut das, ist aber nicht zufrieden. Er spürt – kann dies aber leider nicht digital abbilden – dass es nicht matcht. Dann ist es wie bei Tinder: einfach „wegwischen“. Das Problem ist nun aber, dass er die Auswahl nicht selbst erweitern kann, obwohl er einen Coach sehr gut kennt. Er muss die Kriterien neu eingeben und eine neue Anfrage starten.

So weit so gut. Nur an zwei Fragen kommt Hannes nicht vorbei: „Was ist nun der Effizienzgewinn?“ und „Was wäre herausgekommen, wenn ich vor 20 Jahren meine Frau auf diese Art ‚gefunden‘ hätte?“.

(erschienen in HR Performance 1/2023)

Autorenfoto_Stefan Häseli_Beitrag_Coach

Stefan Häseli, Keynote-Speaker, Kommunikationstrainer
und Kabarettist, E-Mail: stefan.haeseli@stefanhaeseli.ch,
www.stefan-haeseli.com

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