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Best Ager – die unbeachtete Ressource : Eine neue Studie der Technischen Hochschule Augsburg zu Best Agern im Arbeitsmarkt

„Das Potenzial der älteren Generation wird oft übersehen und nicht voll ausgeschöpft. Interessanterweise sind es die jüngeren Kolleg:innen, die die Best Ager deutlich kritischer sehen und nicht umgekehrt. Fühlen sich ältere Mitarbeitende dann weniger wahrgenommen, kann das zu Rückzug und Resignation führen. Besonders in Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, ist es eine bedenkliche Tendenz, wenn Unternehmen nicht auf die wertvolle Ressource der älteren Generationen zurückgreifen.“

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Best Ager
Foto: ©AdobeStock/Jeanette Dietl

Best Ager fühlen sich leistungsstark, karrieremäßig aber abgehängt. So ist das Interesse an Karriere und Weiterentwicklung bei den älteren Erwerbstätigen weiter vorhanden – sie schätzen die Umsetzung ihrer beruflichen Ziele jedoch signifikant schlechter ein als die jüngeren Altersgruppen.

Auffällig: Während die Altersgruppe bis 40 Jahre ihre Aufstiegschancen mit 4,1 von 6 möglichen Punkten bewertet, erreicht die Altersgruppe ab 40 nur noch 3,5 Punkte. Ab 50 Jahren nimmt die Wahrnehmung von Aufstiegschancen mit 3,1 Punkten noch einmal deutlich ab.

Das ergab eine Studie der Managementberatung borisgloger consulting und Prof. Dr. Erika Regnet von der Technischen Hochschule Augsburg unter rund 500 Fach- und Führungskräften. Bereits 2013 und 2018 fanden Best-Ager-Befragungen statt, die zeitliche Vergleiche ermöglichen.

Trotz der Wahrnehmung eingeschränkter Karrierechancen zweifeln die Best Ager nicht an ihrer beruflichen Kompetenz und Leistungsfähigkeit: Wie die Studie „Best Ager im Beruf – Potenzial im Fachkräftemangel“ aufzeigt, schätzen knapp 80  Prozent aller befragten Teilnehmenden ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die Arbeitsanforderungen als „sehr gut“ oder „eher gut“ ein. Unabhängig von Geschlecht, Alter oder Position in der Hierarchie sind alle Befragten ähnlicher Meinung. Die Best Ager sehen sich ebenso wie ihre jüngeren Kolleg:innen in der Lage, die körperlichen und geistigen Herausforderungen der Arbeit zu bewältigen.

Ältere werden von Jüngeren kritisch bewertet

55,8 Prozent in der Altersgruppe der über 55-Jährigen halten den Beruf für (sehr) wichtig. Die Älteren schätzen insbesondere die Wissensweitergabe (51,7 %), die Übernahme einer Mentorenfunktion (42,4 %) sowie mehr Freiraum und Verantwortung (37,1 %). Einer Zusammenarbeit mit den oft kontrovers diskutierten, jüngeren Generationen stehen die Älteren positiv gegenüber:

Die jüngeren Teammitglieder werden im Allgemeinen als motiviert, kommunikativ, innovativ, flexibel, gesund und fit wahrgenommen. Die Älteren bewerten die jüngeren Kolleg:innen also weitgehend positiv. Umgekehrt ist das weniger der Fall. Die älteren Mitarbeitenden liegen hinsichtlich der Kollegialität gleichauf mit den Jüngeren und stechen vor allem durch ihre Verlässlichkeit hervor. Ansonsten überwiegt bei den Jüngeren eine kritische Sicht: Sie bewerten die älteren Kolleg:innen im Durchschnitt als unflexibel, risikovermeidend, beharrend und erschöpft.

„Das Potenzial der älteren Generation wird oft übersehen und nicht voll ausgeschöpft. Interessanterweise sind es die jüngeren Kolleg:innen, die die Best Ager deutlich kritischer sehen und nicht umgekehrt. Fühlen sich ältere Mitarbeitende dann weniger wahrgenommen, kann das zu Rückzug und Resignation führen. Besonders in Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, ist es eine bedenkliche Tendenz, wenn Unternehmen nicht auf die wertvolle Ressource der älteren Generationen zurückgreifen“, erläutert Prof. Dr. Erika Regnet.

Arbeitszeit sinkt weiter deutlich – selbst im Top-Management

Inzwischen arbeiten deutsche Fach- und Führungskräfte deutlich weniger als noch vor einigen Jahren – das zeigt ein Vergleich mit den beiden Vorgängerstudien. Arbeiteten 2015 noch 85,4 Prozent regelmäßig mehr als 40 Stunden pro Woche, waren es 2018 nur noch 80,3 Prozent. In der aktuellen Befragung liegt dieser Wert bei „nur“ noch 65 Prozent.

Signifikante Änderungen hinsichtlich der Arbeitszeit zeigen sich auch im oberen Management: Während 2015 noch 58 Prozent und drei Jahre später 60 Prozent der Top-Führungskräfte regelmäßig mehr als 50 Stunden pro Woche in den Beruf investierten, waren es 2023 noch 43 Prozent.

Auch das Management lehnt inzwischen überlange Arbeitszeiten ab. Eine Viertagewoche ist für die Manager:innen dennoch keine Option: So sehen sie die Idee zwar durchweg als attraktiv für die Mitarbeitenden an, glauben aber nicht an eine erhöhte Produktivität.

Die befragten Fach- und Führungskräfte schätzen das digitale Arbeiten mit der Schulnote 1,8 als sehr positiv ein. Agiles sowie internationales Arbeiten werden mit einer 2,1 ebenfalls durchgehend positiv bewertet. Das zeigt sich auch darin, dass fast die Hälfte der Unternehmen regelmäßig oder häufig bereits in rein virtuellen Teams zusammenarbeitet. Diese digitale Kooperation bewerten die Älteren ab 60 Jahren mit der Note 2,7 noch am kritischsten.

„Die Situation der Best Ager im deutschen Arbeitsmarkt ist vielschichtig: Nicht immer entspricht die Integration in den modernen Arbeitsalltag den Vorstellungen. Während Ältere oft dem technischen Wandel hinterherhinken, sind Jüngere von Beginn an damit vertraut. Die Herausforderung liegt darin, die ältere Generation fit für agile Methoden, moderne Tools und Technologien wie künstliche Intelligenz zu machen. Das ist nicht nur der Schlüssel für eine produktive und effiziente Organisationsstruktur, sondern auch für mehr Wertschätzung zwischen den Generationen“, sagt Boris Gloger, Gründer und Geschäftsführer von borisgloger consulting.

Der vollständige Studienbericht ist hier verfügbar.

(erschienen in HR Performance 2/2024)

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