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„Homeoffice-Atteste“ – Was müssen Arbeitgeber beachten?

Homeoffice-Atteste stellen Arbeitgeber vor neue Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit und der Möglichkeit einer ortsunabhängigen Arbeit. Was entscheidend bei der Beurteilung ist, beschreibt dieser Beitrag.

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Mann isr krank im Homeoffice
Foto: ©AdobeStock/Yakobchuk Olena

Sogenannte „Homeoffice-Atteste“, die bescheinigen, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur im Homeoffice erbringen kann, sind juristisches Neuland.

Arbeitgeber sehen sich in den letzten Jahren mit Krankmeldungen auf Rekordhoch konfrontiert. In diesem Kontext stellt sie das neue Phänomen der sogenannten „Homeoffice Atteste“ vor weitere Herausforderungen. Es ist eine Folge des seit Corona-Zeiten weit verbreiteten mobilen Arbeitens, das manch ein Arbeitgeber inzwischen gerne wieder einschränken möchte. Bei den Homeoffice Attesten handelt es sich um Bescheinigungen eines Arztes darüber, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung lediglich im Homeoffice erbringen kann oder dass eine Tätigkeit im Homeoffice „gesundheitsfördernd“ oder für den Heilungsprozess erforderlich ist. Damit sind die Homeoffice-Atteste insbesondere nach Abschluss einer Erkrankung relevant oder wenn Arbeitnehmer fortdauernde gesundheitliche Beschwerden haben.

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob der jeweilige Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist und sie dem Homeoffice-Attest nachkommen und eine Beschäftigung im Homeoffice ermöglichen müssen.

Bei Homeoffice-Attesten besteht keine Arbeitsunfähigkeit

Arbeitnehmer, die ein Homeoffice-Attest vorlegen, sind nicht arbeitsunfähig. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer infolge einer Krankheit seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr oder nur unter der Gefahr einer gesundheitlichen Verschlimmerung erbringen kann. Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen muss und Entgeltfortzahlung erhält. Ein in diesem Sinne arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, seine Arbeitsleistung im Homeoffice zu erbringen.

Für das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit kommt es also darauf an, welchen Inhalt die „arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung“ hat, was sich maßgeblich nach dem Arbeitsvertrag richtet. Dieser enthält jedoch zumeist nur eine grobe Tätigkeitsbeschreibung. Sind keine detaillierten Vereinbarungen über den Inhalt der Arbeitsleistung sowie den Arbeitsort getroffen, obliegt es dem Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts (§ 106 GewO), die Arbeitsleistung und den Arbeitsort im Einzelnen inhaltlich zu konkretisieren.

Homeoffice-Atteste können nur bei solchen Tätigkeiten Relevanz erlangen, die im Homeoffice erbracht werden können. Ein Handwerker, dessen Bein gebrochen ist, kann seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit üblicherweise nicht im Homeoffice erbringen. Ist der Arbeitnehmer lediglich daran gehindert, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, aber nicht an der eigentlichen Erbringung seiner Arbeitsleistung, liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor. So ist etwa ein Arbeitnehmer, der im Büro arbeitet, im Falle eines Beinbruchs nicht an der Ausübung seiner (sitzenden) Tätigkeit gehindert und damit nicht arbeitsunfähig. Wie er an seinen Arbeitsplatz gelangt, ist nicht Teil der geschuldeten Arbeitsleistung und liegt im alleinigen Risiko des Arbeitnehmers (sogenanntes Wegerisiko).

„Teil-Arbeitsunfähigkeit“ ist dem deutschen Recht fremd

Eine „Teil-Arbeitsunfähigkeit“ ist dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht sowohl nach den gesetzlichen Bestimmungen als auch der Rechtsprechung fremd. Das BAG hat in dieser Hinsicht bereits entschieden, dass eine gesundheitlich bedingte „Nachtdienstuntauglichkeit“ im Schichtdienst keine Arbeitsunfähigkeit darstellt, weil der Arbeitnehmer lediglich hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit eingeschränkt ist, aber die geschuldete Tätigkeit in der Tagschicht weiter erbringen kann (BAG, Urteil v. 9. April 2014 – 10 AZR 637/13). Auch der Arbeitnehmer, der ein Homeoffice-Attest vorlegt, kann und will seine Arbeitsleistung erbringen – jedoch nicht im Betrieb, sondern im Homeoffice. Damit liegt aber keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG vor.

Arbeitgeber müssen das Homeoffice-Attest im Rahmen ihres Direktionsrechts berücksichtigen

Eine gerichtliche Entscheidung zu Homeoffice-Attesten gibt es bislang nicht. Um den gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen, können Arbeitgeber die (vorübergehende) Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Homeoffice in Betracht ziehen. Einen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice hat der Arbeitnehmer nicht, sofern diesbezüglich keine Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Arbeitnehmer ein Homeoffice-Attest vorlegt. Dem Arbeitgeber steht weiterhin sein Direktionsrecht zur Konkretisierung der Arbeitsleistung zu. Dem Direktionsrecht ist jedoch eine Schranke dahingehend gesetzt, dass es „billigem Ermessen“ entsprechen muss.

Bei der Ausübung des billigen Ermessens darf der Arbeitgeber das Homeoffice-Attest nicht unberücksichtigt lassen. Vielmehr ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Zugunsten des Arbeitgebers sind etwa die betrieblichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, die eine Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice mit sich bringen kann. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob die Tätigkeit nur vorübergehend oder dauerhaft im Homeoffice erbracht werden kann. Zugunsten des Arbeitnehmers sind, sofern bekannt, die Gründe zu berücksichtigen, aufgrund derer sich eine Tätigkeit im Homeoffice als gesundheitsfördernd darstellt.

Darüber hinaus sind die Parteien im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, gemeinsam die Voraussetzungen für die Durchführung des Arbeitsvertrags zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen und bestehende Hindernisse zu beseitigen. Auch im Rahmen seiner Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht kann der Arbeitgeber daher gehalten sein, sein Ermessen derart auszuüben, dass den gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers Rechnung getragen wird, auch wenn diese keine Arbeitsunfähigkeit begründen.

Auskunftsanspruch des Arbeitgebers

Eine Interessenabwägung ist schwer möglich, wenn sich aus dem Homeoffice-Attest nicht ergibt, von welchen Arbeitsbedingungen der ausstellende Arzt ausgegangen ist, also welche Arbeitsbedingungen im Betrieb konkret dazu führen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur im Homeoffice erbringen kann oder sollte. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber bei der Vorlage eines Attests keine Angaben zu Art und Ursache der Erkrankung verlangen. Diese Informationen sind jedoch von grundlegender Bedeutung für die Ausübung des Weisungsrechts, weil der Arbeitgeber andernfalls nicht abschätzen kann, ob er den gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers auch mit anderen Maßnahmen entgegenwirken kann.

Vor diesem Hintergrund dürfte jedenfalls ein Anspruch des Arbeitgebers auf Erteilung der Information, welche Arbeitsbedingungen bei der Ausstellung des Attests bzw. der Empfehlung zugrunde gelegt wurden, bestehen. Dasselbe muss für den Umfang der gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers gelten. Erhält der Arbeitgeber die betreffenden Informationen nicht, ist dies zu Lasten des Arbeitnehmers bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Umgestaltung des Arbeitsplatzes als mildere Maßnahme

Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, aber auch das Arbeitsschutzgesetz gebieten es, den Arbeitsplatz „leidensgerecht“ umzugestalten, worunter auch eine Umgestaltung der Arbeitsabläufe fallen kann. Dies kann auch die Zuweisung eines anderen freien leidensgerechten Arbeitsplatzes umfassen, sofern ein solcher vorhanden ist. Sollte ein unüberwindbares Hindernis derart bestehen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, seine Tätigkeit außerhalb des Homeoffice zu erbringen, kann dies das Ermessen des Arbeitgebers auf Null reduzieren, sodass er dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Homeoffice zuweisen muss (vgl. ArbG Augsburg, Urteil v. 7. Mai 2020 − 3 Ga 9/20).

Dies wird allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen zutreffen, an die hohe Anforderungen zu stellen sind. Meistens ist die Tätigkeit im Homeoffice für den Arbeitnehmer aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden lediglich „angenehmer“. Hier können – als mildere Mittel im Vergleich zur vollständigen Homeoffice-Tätigkeit – Maßnahmen getroffen werden, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen, trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen (wieder) im Betrieb zu arbeiten. In Betracht kommt insbesondere eine individuelle Umgestaltung des Arbeitsplatzes, die dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers Rechnung trägt.

So kann den chronischen Rückenschmerzen eines Arbeitnehmers durch die Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch sowie einer ergonomischen Maus und Tastatur und dem entsprechenden Schreibtischstuhl begegnet werden. Aber auch ganzheitliche Maßnahmen im Rahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung können zur Besserung beitragen. So können etwa „bewegte Pausen“ oder kurze Rückentrainings leicht in den Arbeitsalltag integriert werden und nicht nur bestehende Leiden lindern, sondern auch möglichen Erkrankungen vorbeugen. In jedem Fall sollte das Gespräch mit dem Arbeitnehmer gesucht werden, um die Gründe für den Wunsch oder das Erfordernis nach einer Homeoffice-Tätigkeit zu identifizieren und mit ihm gemeinsam eine Lösung zu finden.

Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Weisung

Hat der Arbeitgeber sein Ermessen ordnungsgemäß dahingehend ausgeübt, dem Arbeitnehmer keinen Arbeitsplatz im Homeoffice zuzuweisen, darf der Arbeitnehmer nicht eigenmächtig im Homeoffice arbeiten. Weigert er sich ins Büro zu kommen, kann der Arbeitgeber entsprechende Sanktionen vornehmen.

Arbeitgeber dürfen und müssen Homeoffice-Atteste kritisch hinterfragen

Homeoffice-Atteste stellen Arbeitgeber vor neue Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit und der Möglichkeit einer ortsunabhängigen Arbeit. Entscheidend ist, dass Arbeitnehmer, die ein solches Attest vorlegen, nicht arbeitsunfähig sind und grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice haben, sofern dies nicht vertraglich vereinbart wurde. Arbeitgeber müssen im Rahmen ihres Direktionsrechts und unter Berücksichtigung des billigen Ermessens eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Parteien vornehmen.

Dabei ist es wichtig, dass Arbeitgeber ein Homeoffice-Attest nicht ungeprüft akzeptieren müssen. Sie haben das Recht und die Pflicht, solche Atteste kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, ob die im Attest genannten gesundheitlichen Gründe tatsächlich die Arbeit im Homeoffice erfordern, oder ob andere Maßnahmen im Betrieb ergriffen werden können, um den gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über die im Attest genannten Arbeitsbedingungen anzufordern, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Insgesamt sollten Arbeitgeber das Gespräch mit dem betroffenen Arbeitnehmer suchen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, die sowohl den betrieblichen Anforderungen als auch den gesundheitlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers gerecht wird. Eine pauschale Annahme oder Ablehnung eines Homeoffice-Attests ist nicht zielführend, vielmehr bedarf es einer individuellen Prüfung und einer ausgewogenen Interessenabwägung.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem CMS-Blog.

Maren Hoffmann
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Maren Hoffmann, LL.B.

Senior Associate

Rechtsanwältin

Maren Hoffmann berät zum individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit macht die Gestaltung von Arbeitsverträgen aus. Darüber hinaus berät sie zum Beschäftigtendatenschutz sowie zu Rechtsfragen rund um das Thema Diskriminierung.

Maren Hoffmann war zunächst ein Jahr als Rechtsanwältin in einer mittelständischen Kanzlei tätig und wechselte 2019 zu CMS.

Dr. Joanna Zoglowek
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Dr. Joanna Zoglowek

Counsel

Rechtsanwältin | Fachanwältin für Arbeitsrecht

Joanna Zoglowek berät umfassend im Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Zu ihren Schwerpunkten gehören Personalanpassungsmaßnahmen, Compliance-Fragen im Beschäftigungskontext (insbesondere die Durchführung von internal investigations) sowie die Beratung zum Beschäftigtendatenschutz aus Unternehmenssicht. Joanna Zoglowek betreut vornehmlich größere Projekte insbesondere für internationale Konzerne und größere mittelständische Unternehmen.

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