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KI-Tools in der Weiterbildung

Inwiefern unterstützen KI-Tools die Personalisierung des Lernens und wie wirkt sich dies auf die Lernergebnisse aus? Welche KI-Tools können in und für die Weiterbildungen eingesetzt werden? Diese und weitere Fragen beanwortet die Online- und Blended-Learning-Trainerin Sabine Prohaska im Interview.

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KI-Tools in der Weiterbildung
Foto: ©AdobeStock/Oleksandr

Im Weiterbildungsbereich bietet KI unzählige Möglichkeiten, die Arbeit adressatengerechter und effektiver zu gestalten. Im Interview erläutert die Lernkultur-Beraterin und Trainerausbilderin Sabine Prohaska, wie das gelingt.

Welche Vorteile hat der Einsatz KI-gestützter Tools in der Weiterbildung im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden?

Sabine Prohaska: Ein zentraler Vorteil ist die Zeitersparnis. Lernmaterialien wie Podcasts oder Videos lassen sich mit ihnen schneller und in guter Qualität erstellen.

KI-Tools ermöglichen stärkere Differenzierung

Gibt es weitere Vorzüge?

Prohaska: Ja. KI-Tools ermöglichen es auch, die Lerninhalte differenzierter sowie personen- und funktionsbezogener zu gestalten und die Lernenden so stärker zu motivieren. Die Entwicklung hin zu personalisierten Lernprozessen steht zurzeit zwar noch am Anfang, doch in naher Zukunft werden sie nicht nur in der betrieblichen Weiterbildung eine große Rolle spielen.

Welche KI-Tools setzen Sie persönlich in und für Ihre Weiterbildungen ein?

Prohaska: Zum Gestalten meiner Weiterbildungsmaßnahmen verwende ich vor allem ChatGPT in der Bezahlvariante. Ich nutze dieses Tool, um Lernmaterialien wie Multiple-Choice-Fragen, praxisorientierte Übungen und handlungsorientierte Aufgaben zu erstellen. Seit Kurzem verwende ich auch ChatGPT 4.0 mit Canvas zum Erstellen von Skripts und Handouts. Außerdem generiere ich mit ChatGPT häufig Piktogramme zum Visualisieren von Inhalten und mit Ideogram fotorealistische Bilder. Dies hilft mir, das Thema Urheberrecht zu umgehen und sicherzustellen, dass die Lern- und Trainingsunterlagen alle aus einem Guss sind. Mit Napkin AI habe ich auch schon Grafiken für PowerPoint-Folien erstellt. In viele andere Tools, die ich seit Jahren verwende, wie Padlet oder Canva, sind inzwischen auch schon KI-Elemente integriert.

ChatGPT ist nur ein KI-Tool von sehr vielen

Nutzen Sie noch weitere KI-Tools bzw. Tools mit integrierter KI?

Prohaska: Ja, für Übersetzungen nutze ich DeepL, da ich ab und zu Seminare und Vorträge auf Englisch halte. Außerdem verwende ich die ChatGPT-App auf meinem Smartphone, um Flipcharts oder Pinnwände zu fotografieren und daraus Dokumente zu generieren, die ich mit den Teilnehmern teilen kann. Für das Erstellen von Podcasts setze ich Tools auf Hugging Face oder NotebookLM ein, mit denen ich aus Dokumenten kurze Audioinhalte in deutscher Sprache generiere. Diese sogenannten Learning Nuggets verwende ich als Prework oder Follow-Up für meine Seminare. In einigen Seminargruppen setze ich ChatGPT auch live via Beamer ein. So ließ ich ChatGPT zum Beispiel vor Kurzem gegen Ende eines Teamtrainings eine Pressemitteilung über die Arbeit des Teams schreiben, die die Teilnehmer dann versandten. Und diese Woche ließ ich bei einer Teamklausur die Anwesenden am Ende live einen Podcast über ihr Team für ihre Kollegen und Kooperationspartner erstellen. Das war für die Teilnehmer ein echtes Aha-Erlebnis.

Frau Prohaska, Sie verwenden offensichtlich viel Zeit darauf, sich in die KI-Tools einzuarbeiten und nutzen diese schon intensiv für Ihre Arbeit.

Prohaska: Ja. Doch ich würde gerne noch viel mehr Tools austesten und auf ihre Verwendungsmöglichkeiten im Bildungsbereich hin erproben. Schließlich kommen gefühlt täglich Neue auf den Markt. Doch hierfür fehlt mir neben meiner Alltagsarbeit oft die Zeit. Aber Schritt für Schritt arbeite ich mich durch und erweitere meine Expertise.

Die KI verändert die Bildungslandschaft fundamental 

Warum?

Prohaska: Primär, weil die KI die Weiterbildungslandschaft fundamental verändern wird, und Trainer, Berater, Coaches, die sich hierauf nicht einstellen, werden mittelfristig nicht mehr marktfähig sein. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

Welche Tools empfehlen Sie im Weiterbildungs- bzw. HR-Bereich tätigen Personen noch?

Prohaska: Wer eine Alternative zu ChatGPT sucht, kann Claude.ai verwenden. Hierüber berichten mir Kollegen viel Positives. Für das Erstellen von Podcasts empfehle ich NotebookLM, das hervorragende Audioinhalte in englischer Sprache und seit Kurzem auch auf Deutsch erstellt. Wer einen Text in guter Qualität gesprochen haben möchte, ohne einen Sprecher hierfür bezahlen zu müssen, kann mit der Generative Voice AI von ElevenLabs eine Synchronstimme erzeugen. Und wer bei der Videogestaltung auf Avatare setzen möchte, dem empfehle ich Synthesia. Mit Synthesia können durch eine einfache Texteingabe Videos mit KI-Avataren in über 60 Sprachen erstellt werden. Chatbot Arena ist auch eine interessante Plattform. Ich empfehle sie, um Vergleiche zwischen den verschiedenen Chatbots zu erstellen und über die KI-Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben. 

KI-Einsatz lohnt sich – auch betriebswirtschaftlich

Inwiefern unterstützen KI-Tools die Personalisierung des Lernens und wie wirkt sich dies auf die Lernergebnisse aus?

Prohaska: Ich finde es toll, dass die in der betrieblichen Weiterbildung tätigen Personen nun die vorgenannten Möglichkeiten haben, das Lernen attraktiver zu machen, unter anderem indem sie die Lernprozesse individueller gestalten. Das ist mir seit Jahrzehnten ein Anliegen und nun ist dies mit Hilfe der Digitaltechnik, wozu auch die KI zählt, möglich – und zwar mit einem realistischen Input-Output-Verhältnis.

Also mit einem auch betriebswirtschaftlich vertretbaren Invest an Zeit und Geld?

Prohaska: Ja. Besonders spannend finde ich in diesem Kontext die Entwicklung hin zu persönlichen Lernbots, die uns sukzessiv besser kennenlernen und Menschen individuell beim Lernen unterstützend begleiten. Das ist eine echte Revolution im Lernen. Durch die Analyse von Lerndaten können KI-Systeme Empfehlungen geben und Lernpfade anpassen, sodass jeder Lernende genau die Unterstützung erhält, die er braucht. Dies führt zu einer gesteigerten Motivation und einem größeren Lernerfolg. Einen Vorgeschmack hierauf kann man sich zum Beispiel im Rahmen von ChatGPT mit Tutor Me verschaffen. Das ist eine abgespeckte Version des KI-Tutors der Khan Academy, der bei mathematischen sowie natur- und geisteswissenschaftlichen Fragen hilft. Der Lernbot nimmt den Lernenden die Lernarbeit zwar nicht ab, doch er zeigt ihnen Wege, wie sie Aufgaben selbst angehen und lösen können. Beim Lernen mit KI-Tools erhalten die Lernenden zudem zumeist ein unmittelbares, personalisiertes Feedback über den Erfolg ihres Tuns. Ein Beispiel hierfür ist im Bereich Präsentationstraining der Speaker Coach in PowerPoint, den es schon länger gibt. Zudem gibt es Tools, die per Videoaufzeichnung eine Rückmeldung zur Körpersprache geben. Das bindet die Lernenden als Person noch stärker in den Lernprozess ein und hilft ihnen, ihre Fortschritte zu sehen und zu verstehen.

Die „KI-Helferlein“ verändern die Trainerrolle

Werden KI-Tools langfristig die menschlichen Trainer ersetzen?

Prohaska: Ich glaube nicht, dass KI-Tools die menschlichen Trainer überflüssig machen – auch langfristig nicht. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass der verstärkte KI-Einsatz die Trainerrolle nachhaltig verändern wird … und das spüren wir schon heute.

Inwiefern?

Prohaska: Nun, heute ist es schon der Stand der Technik, dass die Unternehmen eigentlich nur noch in Ausnahmefällen Trainer benötigen würden, um ihren Mitarbeitern irgendwelche theoretischen, fachlichen Inhalte zu präsentieren und zu vermitteln. Hierfür wären heute bereits Podcasts oder Videos, die zeit- und ortsunabhängig konsumiert werden können, oft schon die bessere Wahl – aus vielerlei Gründen. Deshalb entwickeln sich Trainer immer stärker zu Begleitern und Coaches im Lernprozess. Das heißt, der Fokus ihrer Tätigkeit verlagert sich in Richtung Reflexion des Gelernten und der Lernprozesse mit den Teilnehmenden, Erfahrungsaustausch und Üben des Anwendens des Gelernten anhand von Praxisbeispielen. Hinzu kommt ein weiterer Faktor.

Und der wäre?

Prohaska: Lernen bedeutet fast immer mehr als die reine Aufnahme von Informationen und Aneignung von Wissen. Lernen setzt meist auch eine persönliche Entwicklung und Bereitschaft zur Veränderung voraus. Und dies erfordert wiederum oft eine soziale Interaktion und ein Eingehen auf die individuellen emotionalen Bedürfnisse; etwas, was die KI – zumindest zurzeit noch – nur sehr bedingt kann. Deshalb sind heute zumindest bei Lernprozessen, die eine individuelle oder kollektive Einstellungs- und Verhaltensveränderung erfordern, Trainer mit Empathie und Erfahrung und der Fähigkeit, zum Beispiel spontan auf unvorhergesehene Dynamiken zu reagieren, noch unverzichtbar. Deshalb erachte ich die KI-Tools primär als Tools, die die Trainer, Tutoren usw. in vielerlei Hinsicht entlasten, sodass diese sich stärker auf die innerpersönlichen, zwischenmenschlichen und kreativen Aspekte des Lernens konzentrieren können.

Frau Prohaska, danke für das Gespräch.

Sabine Prohaska

Sabine Prohaska bildet Online- und Blended-Learning-Trainer sowie Coaches aus.

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