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Viele vermissen den respektvollen Umgang miteinander

Am 10. April endete der Ramadan. In Indonesien nennt man den Tag darauf auch „halal bi halal“ (Zusammenkommen zum Verzeihen). Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten zu zeigen, wäre z. B. die Einrichtung eines Notfallfonds für Mitarbeiter, die in Not geraten sind oder einen Schicksalsschlag erlitten haben.

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Freundlichkeit
Foto: ©AdobeStock/StockPhotoPro

Die Spatzen pfeifen es schon wieder von den Dächern. Die Kundenzufriedenheit im Lufthansa Konzern ist auf einem Tiefpunkt angelangt, schrieb das Handelsblatt am 10. April. Dabei braucht die Fluggesellschaft zufriedene Kunden, um gegen die Mitbewerber im Markt – trotz höherer Preise – bestehen zu können.

Da fällt mir ein Gespräch mit Heiko Lange ein. Er war von 1986 bis 2000 Vorstandsmitglied unter anderem auch für den Bereich Personal bei der Lufthansa. Von 1993 bis 2000 war er auch  Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). Auf einem der DGFP-Kongresse in den 90er-Jahren in Wiesbaden erzählte er: „Unlängst bin ich mit meiner Familie mit einer der großen Fluggesellschaften in Asien geflogen. Danach sagten meine Kinder zu mir, dass sie nicht mehr mit Lufthansa fliegen wollen. Dort gäbe es nicht den Service, den die Asiaten böten. Dort würden sich die Stewardessen vor ihnen hinknien, um ihnen das Essen zu servieren. Daraufhin gab ich ihnen zu bedenken, wie das wohl aussehen mag, wenn eine hochgewachsene Lufthansa-Stewardess sich vor ihnen hinknien würde.“

Die Geschichte zeigt, das Thema Kundenzufriedenheit bei der Lufthansa gärt seit Dekaden. Jahrzehntelang konnten deutsche Unternehmen ihre Serviceschwächen durch Qualität, Organisation, Pünktlichkeit und Technik kompensieren. Inzwischen haben die Mitbewerber auch bei diesen Punkten aufgeholt. Irgendwie hatten wir uns in der Vergangenheit daran gewöhnt, keine Servicegesellschaft zu sein. Natürlich schätzen wir den Service beim Italiener oder im Urlaub in der Türkei. Niemand würde bei uns auf die Idee kommen, eine Packung mit Zuckerstückchen wieder zurückzugeben, nur weil bei einigen Stückchen die Ecken rund wären. In Japan würde sich angesichts eines solchen Qualitätsmangels sogar der Geschäftsführer entschuldigen. Wer einmal Japan besucht hat, weiß wovon ich spreche.

Wer zufriedene Mitarbeiter hat, hat auch zufriedenere Kunden

Schade, dass das Wort Höflichkeit hier ein bisschen in Vergessenheit zu geraten scheint. Denn bewusst oder unbewusst vermissen wir sie doch. Ganz anders in den USA. Dort stellte eine aktuelle Studie der SHRM (Society for Human Resource Management) vor Kurzem bei einer Befragung von über 1000 Beschäftigten fest, dass sich zwei Drittel der Beschäftigten in den letzten Monaten unhöflich am Arbeitsplatz behandelt fühlen. Und 57 Prozent gaben an, dass sie das selbst vorherige Woche noch erlebt und erfahren haben. Diese Veröffentlichung stammt vom 6. März dieses Jahres.

Als häufigste Form der Unhöflichkeit (Incivility) erlebten die Menschen, wie sie von anderen respektlos angesprochen wurden. Am zweithäufigsten klagten sie, dass sie beim Sprechen unterbrochen und zum Schweigen aufgefordert würden. An dritter Stelle stehen das Misstrauen, das ihnen entgegengebracht würde und die übermäßige Überwachung. Jim Link, CHRO der SHRM, sprach darüber auch auf der jüngsten SXSW in Austin. Er nannte diese Zahlen dort einen „Wake-up Call“ für die Unternehmen.

Die Studie zeigt, dass die Unhöflichkeit nicht nur Auswirkungen auf die Beschäftigten, sondern auch auf das Geschäft der Unternehmen hat. Diese Zahlen widersprechen dem Eindruck von Mitarbeitern und Personalverantwortlichen, dass es am Arbeitsplatz „civil“ zuginge. Die betroffenen Mitarbeiter sind unzufrieden mit ihrer Arbeit. Sie wollen das Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten verlassen.

Beschäftigte, die sich höflich (civil) behandelt fühlen, haben eine hohe Identifikation mit ihrem Arbeitgeber. Wenn Mitarbeiter Angst haben, authentisch zu sein und wenn sie nicht ehrlich sagen dürfen, was sie denken, hat das Auswirkungen auf die Teamarbeit, auf die Collaboration und auf das Engagement. Eine toxische Umgebung verursacht Stress und Animosität. Am Ende schädigt die „Incivility“ die Moral, die Produktivität und die Arbeitszufriedenheit. Und die Folgen für die Kundschaft sind mess- und spürbar. Wer die Rhetorik der jüngsten Arbeitskämpfe noch im Ohr hat, weiß, dass dieses Thema auch in Deutschland ernster genommen werden sollte. Natürlich erwartet niemand, dass sich die Stewardessen der Lufthansa zukünftig vor einem niederknien. Höflichkeit und Freundlichkeit haben noch viele andere Ausdrucks- und Erscheinungsformen. Wenn die Produkte immer ähnlicher werden, macht der Service den Unterschied aus.

Höflichkeit, der Eckstein der Arbeitsplatzkultur

Ein erster Schritt im Unternehmen könnte sein, die Diskussion darüber in Gang zu setzen und die Kritik und die Wünsche der Mitarbeiter ernst zu nehmen. Employer Branding und Employer Experience können nur dann erfolgreich sein, wenn die Kultur im Unternehmen stimmt. Und klare Unternehmenswerte müssen sich in der Führungs- und Firmenkultur widerspiegeln. Dazu gehört auch eine Symbiose aus Technik und Menschlichkeit.

Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten bunter und vielfältiger geworden. Wenn wir die Servicekultur anderer Länder schätzen, spricht eigentlich nichts dagegen, sie auch zu übernehmen. Am 10. April endete der Ramadan. In Indonesien nennt man den Tag darauf auch „halal bi halal“ (Zusammenkommen zum Verzeihen). Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten zu zeigen, wäre z. B. die Einrichtung eines Notfallfonds für Mitarbeiter, die in Not geraten sind oder einen Schicksalsschlag erlitten haben.

Wir dürfen ruhig daran glauben, dass derjenige der heute etwas gibt und etwas für andere tut, es morgen oder später wieder zurückbekommt. Wer heute etwas gibt, kann morgen schon derjenige sein, der etwas braucht. Ich denke dabei an Phil Bosmans, der uns nicht nur viele Gedanken („Blumen können nicht blühen ohne die Wärme der Sonne. Menschen können nicht Mensch werden ohne die Wärme der Freundschaft.“), sondern auch das Projekt „Bund ohne Namen“ und viele andere Initiative hinterlassen hat. Mit ein bisschen weniger „ich“ und etwas mehr „wir“ wäre uns allen geholfen. Es könnte ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Höflichkeit und Freundlichkeit sein.

Franz Langecker

Franz Langecker

Chefredakteur HR Performance

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