Nicht die Algorithmen entscheiden, sondern der Mensch
Der Einsatz von KI wächst exponentiell. Wir werden weiter Erfolge und Misserfolge erleben. Das darf uns nicht ängstigen und entmutigen. Wir sollten uns von der Faszination für dieses Thema treiben lassen und gemeinsam neue Wege und Lösungen für die Herausforderungen von Morgen schaffen.
Nach all den Jahren des quantitativen Wachstums der Technologien erleben wir derzeit eine starke qualitative Weiterentwicklung in der IT-Welt. Künstliche Intelligenz entlastet und unterstützt die Menschen und Unternehmen in allen Bereichen.
An der Schwelle eines neuen Schubs in die Zukunft
In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts stellte sich der britische Logiker und Informatiker Alan Mathison Turing die Frage: „Can machines think?“. Damals waren Computer noch so groß wie Ballsäle und konnten nur ein paar Zahlenfolgen behalten. Zur gleichen Zeit machte sich auch der amerikanische Mathematiker und Begründer der Kybernetik Norbert Wiener Sorgen über das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. In Stanley Kubricks Film von 1968: „Odyssee im Weltraum“ übernahm einfach der Computer die Steuerung des Raumschiffes. „Diese Mission ist zu wichtig für mich, um sie dir zu überlassen“, war sein Kommentar gegenüber seinem Begleiter, einem Menschen. Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung und maschinelles Lernen gelten als die Schlüsseltechnologien unserer Zeit. Sie fungieren als Innovationstreiber für die Unternehmen. Selbst 70 Jahre nach den ersten Überlegungen von Turing und Wiener schwanken wir noch immer zwischen Begeisterung und Ablehnung.
Chancen nutzen und die Bedrohungen ernst nehmen
Mitte November hat die Fußballweltmeisterschaft begonnen. Und die wenigsten von Ihnen denken dabei an KI. Tatsächlich wird im Fußball in allen Bereichen bereits die KI voll genutzt. Spezialisten erfassen die Streaming-Daten und analysieren sie mithilfe von maschinellem Lernen, Deep Learning und KI für verschiedenste Zwecke, von der Rekrutierung der Spieler bis hin zu Virtual Reality für Fans. Dabei geht es um mehr als nur um Daten zu Spielern und ihrem Ballbesitz. Kamerasysteme erfassen große Mengen an Daten, die im Spielgeschehen außerhalb des Ballbesitzes anfallen. Mit Algorithmen für maschinelles Lernen werden mittlerweile die Qualitäten, das Talent und der Wert von über 200.000 Spielern in über 1500 Spielen pro Woche in 210 Ligen weltweit berechnet. Das hilft den Clubs bei der Suche nach Spielern mit bestimmten Talenten und bei der Analyse der Gegner.
Das Unternehmen Bosch will bis 2025 zehn Milliarden in KI und Vernetzung investieren. Vernetzte Produkte sollen Daten über ihre Nutzung liefern. Diese werden dann per KI analysiert, um so neue Services zu entwickeln und anbieten zu können. Bosch will die neuen Technologien auch im Kampf gegen den Klimawandel nutzen. Dabei fördert es ein eigenes Startup “Decarbonize Industries” und geht Kooperationen mit IBM ein, um das Quanten-Computing zu nutzen. Ein Ziel ist die Entwicklung neuer Materialien, um die Abhängigkeiten von seltenen Erden zu reduzieren. Immer mehr Firmen sehen die Geschäftsvorteile, die ihnen der Einsatz von KI bringt. Wer im Wettbewerb mithalten will, schafft das nicht mit den Lösungen von Gestern.
HR darf die KI-Entwicklungen nicht vernachlässigen
Auch wenn der Weg für KI in die HR-Abteilungen noch weit zu sein scheint, ist die Technik bereits in vielen Lösungen embedded. Wir schätzen die Leistungen moderner Software, aber wir haben Angst vor einer “Blackbox”. Die größten Investitionen in KI für HR erleben wir derzeit im Bereich Recruiting. Die Anmerkungen zum Fußball oben zeigen, wohin die Wege gehen. Verschiedene Anbieter analysieren Sprache und Mimik. Parsing und Chatbots haben sich bereits etabliert.
Das Potenzial von KI-basierter Software ist groß. Kein Wunder, dass sich die Anbieter etablierter HR-Lösungen nicht in die Karten schauen lassen. Aber dort wird derzeit weltweit ungeheuer viel investiert. Personaleinsatzplanungssysteme funktionieren erfolgreich mit KI. Im Talentmanagemt, bei Social Collaboration, bei der Karriere- und Nachfolgeplanung, beim Onboarding, beim Lernen, bei der Zeitwirtschaft, bei Auswertungen und Analysen überall unterstützt die KI Menschen und Unternehmen. Auch in der Personalentwicklung wird über den Einsatz von KI für das “Augmented People Development” diskutiert. Noch ist der Markt für KI-Entwicklungen für HR jung. Das Potenzial ist groß.
In vielen Feldern sind Verbesserungen möglich und nötig. Deshalb ist es wichtig, dass sich HR-Mitarbeiter mit diesen Möglichkeiten beschäftigen, um gemeinsam mit Anderen und Anbietern eigene Lösungen zu finden. Die DB nutzt bereits die neuen Technologien (siehe Artikel in der neuen Ausgabe der HR Performance S. 11 ff.). Der Fortschritt durch Kl lässt sich nicht aufhalten. Wir verfügen über immense Daten. Wir haben große und billige Speicherkapazitäten und die Rechenleistungen nehmen ständig zu. Das alles erlaubt komplexeste Konfigurationen auszuwerten und ganz neue Möglichkeiten zu denken.
Der Einsatz von KI wächst exponentiell. Wir werden weiter Erfolge und Misserfolge erleben. Das darf uns nicht ängstigen und entmutigen. Wir sollten uns von der Faszination für dieses Thema treiben lassen und gemeinsam neue Wege und Lösungen für die Herausforderungen von Morgen schaffen. KI hat das Potential, unsere Gesellschaft tiefgreifend zu verändern. Niemand im Bereich HR muss deshalb um seinen Job fürchten. Experten gehen davon aus, dass ausreichend Aufgaben bei den HR-MitarbeiterInnen bleiben und neue hinzukommen werden. Die letzten Entscheidungen, die Einfühlungs- und Einschätzungsvermögen erfordern, kann und sollten uns Systeme nicht abnehmen.
Franz Langecker
Chefredakteur HR Performance