Vier-Tage-Woche: So viel Prozent der Vollbeschäftigten wollen sie
Die bisherige Forschung weist darauf hin, dass Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver arbeiten, wodurch ein Lohnausgleich kompensiert werden könne. Bei der Vier-Tage-Woche handelt es sich um ein Arbeitszeitarrangement, das nicht nur betriebliche Gewinne verspricht.
Die Vier-Tage-Woche wird öffentlich viel diskutiert. Schlagzeilen haben dabei etwa die positiven ersten Ergebnisse der Pilotprojekte in Großbritannien gemacht. Diese zeigen, dass mit der verkürzten Arbeitszeit die Beschäftigten produktiver, seltener krank und weniger gestresst sind. Auch in Deutschland halten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Verkürzung ihrer Arbeitswoche unter bestimmten Voraussetzungen für sinnvoll, wie eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Darin untersuchen Dr. Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Stiftung und Dr. Eike Windscheid auf Basis aktueller Befragungsdaten, ob Vollzeiterwerbstätige eine Vier-Tage-Woche möchten oder nicht, und aus welchen Gründen. Kernergebnis: Rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen wünschen sich eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit. Knapp 73 Prozent geben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiel. 17 Prozent der Befragten lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, zwei Prozent haben ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt.
Die Befragten, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschten, gaben an, mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben zu wollen (knapp 97 bzw. 89 Prozent; Mehrfachnennungen möglich). Lott und Windscheid schlussfolgern daraus, dass eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Beschäftigte einen sehr hohen Stellenwert hat und viele eine Vier-Tage-Woche als Instrument ansehen, das ihnen dabei hilft. Mehr Zeit für Hobbies, Sport und Ehrenamt möchten 87 Prozent der Befragten. Eine Vier-Tage-Woche könnte also auch dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, so die Forschenden. „Zeit für Muße hat damit einen besonderen Stellenwert für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität von Demokratie.“ Rund 75 Prozent der Befragten möchten ihre Arbeitsbelastung verringern. Knapp 31 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen möchten ihre Arbeitszeit aufgrund von gesundheitlichen Problemen verkürzen.
Wer eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich ablehnt, hat sehr oft das Gefühl, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändern würde (82 Prozent der 17 Prozent, die mit Nein geantwortet haben; auch hier waren Mehrfachantworten möglich) oder die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre (rund 77 Prozent). Etwa 86 Prozent wollen ihre Arbeitszeit nicht verkürzen, weil sie Spaß an der Arbeit haben. Bei circa 69 Prozent der Befragten ohne Interesse kann die Arbeit nach eigener Einschätzung nicht einfach einen Tag ruhen. Knapp 38 Prozent lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, weil sie häufig für Kollegen einspringen müssten, rund 34 Prozent haben das Gefühl, bei verkürzten Arbeitszeiten beruflich nicht voranzukommen.
Die Untersuchung basiert auf Daten von 2.575 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Vollzeit arbeiten und vertraglich geregelte Arbeitszeiten haben. Sie nahmen im November 2022 an der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung teil. Das ist eine Online-Panelbefragung, bei der seit April 2020 in bislang neun Wellen Berufstätige zu ihrer Arbeits- und Lebenssituation befragt werden. Die Auswahl der Befragten basiert auf strukturellen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bundesland und Bildung. Deren Verteilung in der Stichprobe entspricht der Verteilung in der amtlichen Statistik, sodass die Ergebnisse repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind.
Produktivitätsgewinne durch kürzere Arbeitszeiten
Dass die große Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten sich eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn wünscht, ist nach Einschätzung der Forschenden keine grundsätzliche Hürde für eine Arbeitszeitverkürzung. Bisherige Forschung weist darauf hin, dass Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver arbeiten, wodurch ein Lohnausgleich kompensiert werden könne, betonen Lott und Windscheid. „Insofern handelt es sich bei der Vier-Tage-Woche um ein Arbeitszeitarrangement, das nicht nur betriebliche Gewinne verspricht, sondern auch individuell breit favorisiert wird“, schreiben die Forschenden. „Eine Verbesserung der subjektiven Zeitautonomie stellt dabei zugleich als wichtiger Aspekt von Arbeitgeberattraktivität einen Mehrwert bei der Gewinnung von Fachkräften dar.“
Weitere Vorteile sehen Lott und Windscheid für die Gesellschaft insgesamt – darin, dass sich Beschäftigte besser regenerieren können, Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren und eher gesund bleiben. „Es spricht daher viel dafür, dass Entscheidungsträger*innen in Politik, bei den Sozialpartnern sowie in Betrieben das Modell der Vier-Tage-Woche als Instrument zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Stabilisierung von Sozialkassen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesunderhaltung von Beschäftigten in Erwägung ziehen und den verbreiteten Wunsch danach unter den Erwerbstätigen ernst nehmen sollten“, schreiben die Forschenden.
Jedoch müssen bei einer Vier-Tage-Woche auch die Arbeitsmenge und die Arbeitsabläufe angepasst werden. Ansonsten könnte sich eine Arbeitszeitverkürzung negativ auf die Motivation und das Wohlergehen der Beschäftigten auswirken. „Für eine wirkungsvolle Umsetzung braucht es verbindliche Vertretungsregelungen, mehr Personal sowie eine angepasste Arbeitsorganisation, z.B. Erreichbarkeitsregeln im Kundenkontakt, und eine verringerte Arbeitsmenge, z.B. durch Automatisierungsprozesse“, schreiben Lott und Windscheid. Ein weiterer wichtiger Punkt: Mehr und verlässliche öffentliche Kinderbetreuung sei auch dann nötig, wenn künftig deutlich mehr Beschäftigte vier Tage die Woche arbeiten.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung