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So können Sonderleistungen im Notfall reduziert werden

Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, so hat dieser gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Das gilt insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung.

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Foto: ©AdobeStock/Parradee

Der Sachverhalt

Zusätzlich zum regelmäßigen Monatslohn gewähren viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden Sonderleistungen, wobei eine große Vielfalt herrscht. Zu den klassischen Sonderleistungen gehören 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld, Jahressonderzahlung, Gratifikationen, Treueprämien, Weihnachts- oder Jubiläumsgelder. In Zeiten von Einsparnotwendigkeiten stellt sich für Unternehmen die Frage, wie Sonderleistungen wieder eingestellt oder zumindest reduziert werden können – hier konkret individuell vereinbarte Leistungen. Sonderleistungen, die auf Basis von Betriebsvereinbarung oder Tarifverträgen gewährt werden, werden nachfolgend nicht betrachtet.

 

Die Spielregeln

 

Zunächst muss die Rechtsgrundlage der jeweiligen Sonderleistung festgestellt werden. Neben dem Arbeitsvertrag kann die Rechtsgrundlage auch eine sogenannte Gesamtzusage oder eine betriebliche Übung sein. Im Falle einer Gesamtzusage erklärt das Unternehmen beispielsweise durch Aushang oder in einer Betriebsversammlung der Belegschaft, zukünftig eine bestimmte Leistung an einen festgesetzten Mitarbeiterkreis zu erbringen. Eine Gesamtzusage bedarf weder der Schriftform noch der ausdrücklichen Erklärung der Annahme durch die Mitarbeiter. Dennoch wird der Inhalt Vertragsbestandteil und begründet zukünftig vertragliche Ansprüche.

Arbeitsvertragliche Sonderleistungen können jederzeit im Einvernehmen mit dem jeweiligen Mitarbeiter abgeändert werden. Hierfür ist jedoch die Zustimmung der Mitarbeiter notwendig, deren Einholung gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten (jedenfalls ohne Gegenleistung – wie beispielsweise einen befristeten Verzicht auf Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen) schwierig sein dürfte.

Daher sind die einseitigen Änderungsmöglichkeiten interessant, die es bei einer freiwillig gewährten Leistung gibt. Hier kommt insbesondere der Freiwilligkeitsvorbehalt ins Spiel. In der Praxis scheitert dies jedoch häufig daran, dass arbeitsvertraglich zwar ein pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart wurde, die Unternehmen jedoch die im Einzelfall gewährten freiwilligen Zahlungen nicht zusätzlich konkret unter den Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt haben. D.h. richtigerweise muss der Freiwilligkeitsvorbehalt auch jedes Mal im direkten Zusammenhang mit der jeweiligen Gewährung/Auszahlung erklärt werden. Außerdem sollte im besten Fall die Freiwilligkeit auch mit der entsprechenden Kennzeichnung bei der Abrechnung und einem kurzen Begleitbrief dokumentiert werden. Will das Unternehmen diese freiwillige Leistung nicht mehr gewähren, erfolgt eine entsprechende Erklärung an die Belegschaft vor dem Zeitpunkt, zu dem diese Sonderleistung, z. B. Gratifikation, bisher ausbezahlt wurde.

Nicht zu verwechseln ist der Freiwilligkeitsvorbehalt mit dem sogenannten Widerrufsvorbehalt. Hierunter versteht man eine vertragliche Einschränkung von verbindlichen Zusagen einer Sonderleistung des Unternehmens, die unter bestimmten Voraussetzungen für die Zukunft wieder beendet werden können. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehaltes ist, dass der widerrufliche Vergütungsbestandteil unter 25 Prozent der Gesamtvergütung liegt (und den einschlägigen Tariflohn nicht unterschreitet). Darüber hinaus müssen das Widerrufsrecht und die Widerrufsgründe vertraglich geregelt sein, so dass der Arbeitnehmer erkennen kann, was auf ihn zukommt. Auch muss der Widerruf vor der Fälligkeit der jeweiligen Sonderleistung erfolgen und das Unternehmen in jedem Einzelfall die Grenzen des billigen Ermessens iSd § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewahrt haben. Die früher häufig von Unternehmen verwendete Variation von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt hat das BAG für unwirksam erklärt (BAG, Urt. v. 14.09.2011, Az. 10 AZR 526/10).

Befristungen nutzen! Insbesondere bei Bonus- und Zielvereinbarungen wird in der Praxis häufig ein Geltungszeitraum von einem Geschäfts-/Kalenderjahr gewählt. Dies gibt dem Unternehmen die Gelegenheit, solche regelmäßig unabhängig vom Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen jährlich anzupassen.

 

Kürzung – worauf zu achten ist

 

Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, so hat dieser gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Das gilt insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Einbindung des Betriebsrats kann unter Umständen auch bei individualrechtlich gewährten Sonderleistungen erforderlich sein, wenn damit in die bestehende Vergütungsstruktur des Betriebes eingegriffen wird.

Auf die richtige Kommunikation achten: Eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation ist wichtig, um ein positives Betriebsklima zu erhalten und so dem Verlust von Fachkräften vorzubeugen. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass durch die Maßnahme Fachkräfte abwandern.

 

Praxistipp

 

Eine langfristige Planung ist bei Änderungen oder der Abschaffung von Sonderleistungen wichtig. Möglicherweise können im Gegenzug zur Abschaffung bisheriger Sonderzahlungen, steuerlich begünstigte Sonderleistungen eingeführt werden.

 

Die Rechtsprechung wird für Sie aufgearbeitet von Frau Dr. Felisiak von ADVANT Beiten Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH

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