Aktuelle Berufstätigkeit bis zum Rentenalter möglich?
Betriebs- und Personalräte sind der Überzeugung, dass Unternehmen etliche Mitarbeitende länger im Job halten könnten, wenn sie sich verstärkt um alternsgerechte Arbeitsbedingungen bemühen würden.
Zweifel, die aktuelle Berufstätigkeit ohne Einschränkungen bis zum Rentenalter durchhalten zu können, haben mehr als ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland. Das eher nicht zu schaffen, glauben circa 20 Prozent. Weitere knapp 7 Prozent sind sogar überzeugt, auf keinen Fall durchhalten zu können.
Noch deutlich höher sind die Quoten unter Arbeiterinnen und Arbeitern (38 Prozent) und bei Menschen, die ihre Arbeitssituation generell als stark belastend oder äußerst belastend einstufen: In diesen Gruppen glauben rund 43 bzw. 59 Prozent, ihre jetzige Tätigkeit eher nicht oder auf keinen Fall ohne Einschränkung bis zum gesetzlichen Rentenalter ausüben zu können, während die Anteile bei geringerer Belastung unterdurchschnittlich sind. Unter den Beschäftigten berichtet gut jede und jeder Fünfte von stark oder äußerst belastenden Arbeitsbedingungen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Die Untersuchung der WSI-Forscher Dr. Florian Blank und Dr. Wolfram Brehmer stützt sich auf eine repräsentative Befragung unter knapp 5000 abhängig Beschäftigten und eine weitere Umfrage unter gut 3600 Betriebs- und Personalräten.
Bemühungen um alternsgerechte Arbeitsbedingungen notwendig
Die befragten Betriebs- und Personalräte sehen die Durchhalte-Chancen der Beschäftigten in ihren Betrieben häufig noch skeptischer. Die Beschäftigtenvertreterinnen und -vertreter sind aber auch der Überzeugung, dass Unternehmen etliche Mitarbeitende länger im Job halten könnten, wenn sie sich verstärkt um alternsgerechte Arbeitsbedingungen bemühen würden: Knapp 42 Prozent der Betriebs- und Personalräte sind überzeugt, dass das für alle oder viele betroffene Beschäftigte möglich wäre, die sonst nicht bis zum Rentenalter durchhalten können, weitere 42 Prozent halten das zumindest bei einigen oder wenigen Kolleginnen und Kollegen für realistisch. Bislang tun die Arbeitgeber nach Einschätzung der Betriebs- und Personalräte aber längst nicht genug: 40 Prozent bewerten die bisherigen betrieblichen Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen für Ältere auf einer Skala entsprechend den Schulnoten mit 5 oder 6. Knapp 28 Prozent geben lediglich eine 4.
Anhebung des Rentenalters geht an Realität vieler Beschäftigter vorbei
Die Ergebnisse machten deutlich „dass Forderungen nach einer weiteren Anhebung des Rentenalters offensichtlich an der Realität vieler Beschäftigter vorbeigehen“, schreiben die Studienautoren Florian Blank und Wolfram Brehmer. „Solche Maßnahmen würden den zweiten Schritt vor dem ersten machen“ und Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt verschärfen – oft zuungunsten von ohnehin bei ihrer Arbeit stark belasteten Personen, warnen sie. Als ersten notwendigen Schritt sehen die beiden Wissenschaftler vielmehr‚ „`Gute Arbeit´ für alle Beschäftigten zu ermöglichen“. Wenn Unternehmen mehr dafür täten, ältere Beschäftigte durch bessere Arbeitsbedingungen im Job zu halten, habe das einen dreifachen Vorteil: Es helfe dabei, die Finanzlage der Sozialversicherungen zu verbessern. Es wirke arbeitsmarktpolitisch positiv, weil Arbeitskräfteengpässe entschärft würden. Und vor allem verbesserten sich die Lebenssituation und die Gesundheit von Millionen Menschen.
Quelle: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung