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So lässt sich die Leistungsfähigkeit bewahren : Talentmanagement

Talente sind Personen, die im Arbeitsalltag bereits herausragende Leistungen erbringen und dabei fachlich und persönlich das Potenzial zeigen, mittel- bis langfristig noch anspruchsvollere Aufgaben in der Organisation zu übernehmen. Aufgabe der Führungskräfte ist es, diese Potenzialträger zu identifizieren und beispielsweise in strukturierten Mitarbeitergesprächen mit ihnen deren Entwicklungspotenziale zu reflektieren.

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Kompetenz-Gap
Foto: ©AdobeStock/VZ_Art

Der Fach- und Führungskräftemangel wird sich verschärfen. Deshalb benötigen die Unternehmen ein Talentmanagement, das sicherstellt, dass sie auch künftig über die zur Leistungserbringung erforderlichen Kompetenzen verfügen.

Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Entsprechend herausfordernd ist es für viele Unternehmen geworden, dafür zu sorgen, dass

  • sie bei Bedarf die erforderlichen neuen Mitarbeiter finden und
  • die vorhandenen Mitarbeiter ihnen treu bleiben und nicht den Arbeitgeber wechseln,

sodass sie auch künftig ihre Leistungen erbringen und Ziele erreichen können.

Entsprechend stark stieg zudem die Bedeutung der Frage: Wie können wir dafür sorgen, dass unser Unternehmen für Stellensucher ein attraktiver Arbeitgeber ist und dies auch für die vorhandenen Mitarbeiter bleibt? Sie hat sich insbesondere für viele mittelständische Betriebe aufgrund des Fachkräftemangels und der Tatsache, dass in den kommenden Jahren viele Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, zu einer Schicksalsfrage entwickelt.

Unternehmen müssen ihre HR-Strategien überdenken

Um diese Herausforderung zu meistern, müssen viele Unternehmen ihre Personalstrategie grundsätzlich überdenken, und zwar nicht nur in den naheliegenden Bereichen

  • Personalsuche, -auswahl und -entwicklung sowie
  • Vergütung- bzw. Compensation & Benefits.

Sie müssen vielmehr auch ihre Unternehmens- und Führungskultur sowie Arbeitsorganisation auf den Prüfstand stellen, um letztlich eine HR-Strategie zu entwickeln, die

  • den veränderten Marktbedingungen entspricht,
  • den gewandelten Bedürfnissen (nicht nur) der nachrückenden Arbeitnehmer gerecht wird und
  • mit den Zielen des Unternehmens korrespondiert.

Das Entwickeln einer solchen Strategie setzt eine umfassende Analyse der Ist-Situation voraus, in deren Zentrum folgende Fragen stehen:

  • Wo stehen wir heute?
  • Welche Veränderungen/Herausforderungen kommen auf uns zu (u.a. Markt, Technologie, Prozesse)? Und:
  • Wo wollen wir hin (u.a. Vision, Ziele, Werte)?

Hierauf aufbauend kann dann ein Soll-Ist-Vergleich erfolgen:

  • Über welche Kompetenzen (bzw. Fähigkeiten/Fertigkeiten) verfügt unsere Organisation bzw. verfügen unsere Mitarbeiter/Teams heute? Und:
  • Über welche Kompetenzen muss unsere Organisation bzw. müssen unsere Mitarbeiter/Teams künftig verfügen – zum Beispiel aufgrund der technologischen Entwicklung, der veränderten Kundenbedürfnisse, unserer Entwicklungsziele usw.?

Herausforderung: Das Kompetenz-Gap schließen

Hierauf aufbauend gilt es dann wiederum eine Strategie zu entwickeln, wie das bereits vorhandene oder sich abzeichnende Kompetenz-Gap geschlossen werden kann. In diesem Kontext gilt es auch folgende Fragen zu klären:

  • Über welche Kompetenzen müssen wir künftig firmenintern verfügen, weil sie strategisch relevant sind? Und:
  • Welche können wir eventuell von externen Partnern „zukaufen“, weil sie eine eher geringe strategische Relevanz haben bzw. ihr Aufbau zu viele Ressourcen bindet?

Außerdem: Sollten wir künftig eventuell unsere Ausbildungskapazitäten erhöhen, um die benötigten Talente frühzeitig an uns zu binden?

Eine Schlüsselrolle beim Schließen des Kompetenz-Gaps und Aufbau eines zukunftsweisenden Talentmanagements spielen

  • das Identifizieren und Fördern der Talente in der Organisation und
  • das Rekrutieren von Talenten auf dem externen Arbeitsmarkt.

Die Talente in der Organisation identifizieren

Über welche Kompetenzen und Entwicklungspotenziale Mitarbeiter real verfügen, zeigt sich weitgehend in der alltäglichen Zusammenarbeit. Deshalb zählt das Talentmanagement in dem ihnen anvertrauten Bereich zu den originären Aufgaben aller Führungskräfte.   

Talente sind Personen, die im Arbeitsalltag bereits herausragende Leistungen erbringen und dabei fachlich und persönlich das Potenzial zeigen, mittel- bis langfristig (bei einer entsprechenden Förderung) noch anspruchsvollere bzw. komplexere Aufgaben in der Organisation zu übernehmen – sei es als Fachkraft, Spezialist oder Führungskraft. Weitere Merkmale von ihnen sind: eine hohe Lernfähigkeit und Motivation sowie ein vernetztes Denken.

Aufgabe der Führungskräfte ist es, diese Potenzialträger zu identifizieren und beispielsweise in strukturierten Mitarbeitergesprächen mit ihnen deren Entwicklungspotenziale zu reflektieren.

Talentmanagement

Zudem empfehlen sich vom HR-Bereich moderierte Personaldurchsprachen, die unter anderem der Einordnung der Beschäftigten in das 9-Box-Model dienen.

In größeren Unternehmen werden die Potenzialträger anschließend häufig in einem Potenzial-AC daraufhin gecheckt, inwieweit

  • sie real ein hohes Entwicklungspotenzial haben und
  • ihre fachlichen und persönlichen Kompetenzen mit denen korrespondieren, die die Organisation zum Erreichen ihrer Ziele braucht.
Schlüsselkompetenzen für Talentmanagement

Schlüsselkompetenzen für Talentmanagement

Auf dieser Grundlage werden dann mit den Kandidaten deren mögliche Karrierewege vorläufig definiert und die Teilnehmer für die Förderprogramme ausgewählt.

Talente vom externen Arbeitsmarkt rekrutieren

Eine zentrale Aufgabe des HR-Bereichs bzw. Personalmarketings ist es, das Unternehmen bei den potenziellen Mitarbeitern, die über die künftig benötigten Kompetenzen verfügen und ein hohes Entwicklungspotenzial haben, als attraktiven Arbeitgeber zu profilieren. Hierfür gilt es die erforderlichen „Tools“ wie flexible Arbeitszeitmodelle, Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, attraktive Entlohnungssysteme usw. zu entwickeln.

Darüber hinaus spielt im digitalen Zeitalter eine attraktive, zielgruppenorientierte Selbstdarstellung des Unternehmens in den sozialen Medien eine wichtige Rolle. So tragen zum Beispiel positive Berichte von Mitarbeitenden über

  • die Unternehmens- und Führungskultur sowie Zusammenarbeit und
  • die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in der Organisation

zur Profilierung des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber bei; dasselbe gilt für entsprechende Statements auf der Firmen-Webseite.

Selbstverständlich sollten zudem moderne, digitale Bewerbungsprozesse mit einem schnellen Feedback sein.

Hilfreich ist auch ein definierter Onboarding-Prozess, der neue Kollegen unmittelbar nach Vertragsabschluss in die Kommunikation einbindet.

Talentmanagement-Programm: eine Wertegemeinschaft werden  

In den Förderprogrammen für die Talente sollte der Fokus weniger auf dem Entwickeln ihrer fachlichen Kompetenz liegen als darauf, dass bei ihnen allen die Arbeitshaltung und -einstellung entsteht, die

  • für ein adäquates Wahrnehmen ihrer (künftigen) Position in der Organisation sowie
  • das Erreichen der Unternehmensziele in einer von rascher Veränderung geprägten Welt

erforderlich ist.

Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in dem Programm voraus, die auch eine kritische Selbstreflexion im Kollegenkreis ermöglicht, die zum Erkennen noch vorhandener Lernfelder und Gewinnen neuer Erkenntnisse führt. Der Schwerpunkt sollte also auf der Persönlichkeits- und Teamentwicklung liegen, auch damit die emotionale Bindung ans Unternehmen steigt.

Elemente eines Talentmanagement-Programms  

Die Persönlichkeits- und Skillentwicklung sollte sich möglichst stark am Arbeitsgeschehen orientieren. Deshalb sollten in dem Programm die Fall- und Projektarbeit eine zentrale Rolle spielen, wobei die verschiedenen Entwicklungsrichtungen (Spezialisten, Projektmanagement, Führung) zu beachten sind. Die Lern- und Reflexionsanteile in Seminaren hingegen sollten eher gering sein; zudem sollten sie mit Interventionen im Arbeitsalltag verknüpft sein. Dies können zum Beispiel sein:

  • Vereinbarung von persönlichen Entwicklungszielen für das Programm
    • Eigenverantwortliche Lernangebote im Learning Management System (LMS) mit Lernlogbuch
    • Führungskräfte als Mentoren und Trainer
    • Regelmäßiges Entwicklungsfeedback durch Vorgesetzte
  • Kollegiale Beratung
  • Praxistransfer bei Projektarbeit: Präsentation im Steuerungskreis und Implementierung; Evaluierung mit Lessons Learned
  • Know-how-Cafés: (digitale) Gesprächsrunden zu relevanten (Zukunfts-)Themen
  • (Feedback-)Gespräche mit dem Führungsverantwortlichen bzw. Mentor.

Darüber hinaus können Krankheit-/Urlaubsvertretungen, Auslandsentsendungen, Job-Rotation und das Übertragen von Zusatzaufgaben für die Entwicklung der Talente genutzt werden.

Die Eigenverantwortung der Teilnehmer stärken

Das Förderprogramm sollte funktions- und bedarfsabhängig möglichst langfristig angelegt sein (zum Beispiel 18 oder 24 Monate). Zudem sollte die moderne Informations- und Kommunikationstechnik aktiv genutzt werden, so dass

  • sich in dem Programm die zunehmend funktions- und bereichsübergreifende sowie virtuelle Zusammenarbeit im Unternehmen widerspiegelt,
  • das Präsenz- und Online-Lernen eine organische Einheit bilden und
  • auch zwischen den Programm-Modulen eine lebendige Kommunikation und ein aktiver Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern erfolgt.

Generell sollten diese bei der Gestaltung und Durchführung des Programms eine möglichst hohe Eigenbeteiligung zeigen, unter anderem damit bei ihnen die Eigenverantwortung und das Unternehmertum gefördert werden.

Fazit: Talentmanagement wird zum zentralen Erfolgsfaktor

Ein vorausschauendes Talentmanagement wird künftig aufgrund

  • des Fach- und Führungskräftemangels sowie
  • der sich rasch verändernden Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns in unserer Gesellschaft

ein zentraler Erfolgsfaktor aller Unternehmen sein. Denn dieses schafft die Voraussetzungen dafür, dass den Unternehmen auch mittel- und langfristig die Kompetenzen und personellen Ressourcen zur Verfügung stehen, die sie zum Erbringen der von ihren Kunden gewünschten Leistungen in einer hohen Qualität brauchen. Deshalb gilt es in den Betrieben ein solches Talentmanagement aufzubauen unter Nutzung der Möglichkeiten, die ihnen die Digitaltechnik bietet.

Hans-Peter Machwürth

Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer eines international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens.

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