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Future Purpose Design : So gewinnen und halten Sie Top-Talente

Manche halten Purpose nur für ein Buzzword, das wieder verschwindet. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. In einer Arbeitswelt, in der wir immer mehr durch KI gesteuert werden und uns zugleich immer seltener sehen, weil Remote Work vielfach die Oberhand hat, ist ein gemeinsamer sinnbehafteter Purpose der beste Kitt.

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Purpose
Foto: ©AdobeStock/Ирина Батюк

Immer mehr Menschen entscheiden sich bei der Arbeitgeberwahl vor allem für Purpose und Sinn. Das, was im Unternehmen getan wird, soll auf dreierlei Weise nützlich sein: wirtschaftlich, ökologisch und sozial. So geht es für einen Anbieter nicht länger darum, der Beste der Welt zu sein, sondern der Beste für die Welt.

Zukunftsfähige Unternehmen entwickeln sich zu Organisationen, die – passend zu ihrem Geschäftszweck – nachweislich auch Verantwortung für das Gemeinwohl tragen. Eine ethische Grundhaltung, ein sinnbehaftetes Tun sowie ein aufrichtiges soziales und ökologisches Engagement sind inzwischen quasi ein Muss.

Anbieter, die sich nicht nur ums Tagesgeschäft, sondern auch um die großen Probleme der Menschheit kümmern, erzeugen Kundeninteresse, Arbeitgeberattraktivität, Finanzmittelfluss und Medienrelevanz. Zudem wirkt eine nachhaltige Unternehmensausrichtung risikoreduzierend und macht Geschäftsmodelle stabiler.

Weshalb sinnvolles Tun den Menschen so wichtig ist

Die Mitarbeitenden von heute und morgen wollen mehr als nur Geld nach Hause tragen. Wenn wir etwas zutiefst Sinnvolles tun, erfüllt uns dies mit Freude und Glück. Wer einer Sache dienen kann, die größer ist als er selbst, die Bedeutung hat und damit auch anderen dient, empfindet Zufriedenheit, Verbundenheit und Empathie. „Warm glow“ nennen Forscher das kostbare Gefühl, das uns dann überkommt.

Millionen von Spiegelneuronen in unseren Köpfen sind der Auslöser dafür. Sie sorgen für soziale Ansteckung, lassen uns also fühlen, was der/die andere fühlt. Zudem sorgen sie für Solidarität, Mitgefühl und Vertrauen. Dies stärkt die ganze Gemeinschaft und lässt sie im Einklang positiv schwingen, was Höchstleistungen auslösen kann.

Wir wurden geboren, um ein Leben voller Sinn zu führen – und fürchten die Vorstellung, ein bedeutungsloses Leben gelebt zu haben. Es gibt uns Genugtuung, uns auf eine im Rahmen unserer Fähigkeiten liegende Art und Weise weiterentwickeln zu können. Für einen großen gemeinsamen Sinn wachsen wir über uns selbst hinaus.

Aufmerksamkeit und Anerkennung sind elementar

Ohne sinnvolle Herausforderungen hätten wir keine Möglichkeit, uns zu bewähren, auf uns stolz zu sein und die so wertvolle wie notwendige Aufmerksamkeit und Anerkennung unserer Mitmenschen zu erlangen. Unsere Motivationssysteme werden erst hochgeschaltet, wenn wir uns um eine Sache verdient machen können.

Zu diesem Zweck ist unser Gehirn mit zwei Belohnungszentren ausgestattet: Eines für die Vorfreude und eines für die Nachfreude. Die Vorfreude drückt sich in Verlangen aus. Sie gibt uns den Antrieb, ein begehrenswertes Ziel tatsächlich erreichen zu wollen.

Das zweite Belohnungszentrum versorgt uns mit Hochgefühlen nach erfolgreich vollbrachter Tat. So motivieren uns mächtige zerebrale Strukturen und biochemische Prozesse, alles für uns Angenehme engagiert in Angriff zu nehmen.

So verstärkt sich die Arbeitsbereitschaft des Gehirns

Für Leistung, Lernen und das Meistern von Herausforderungen werden wir kortikal ganz ergiebig belohnt: mit der süßesten Droge, die die Natur je erfunden hat. Ihr Name? Dopamin. Dopamin ist der Freudentaumel, das aufgekratzte Beflügeltsein, der siebte Himmel, Glückseligkeit pur. Und Dopamin macht süchtig nach mehr.

Dopamin bringt die Synapsen in Schwung und verstärkt die Arbeitsbereitschaft des Gehirns. Im Reigen mit weiteren zerebralen Substanzen befeuert Dopamin neben Lebensfreude und Optimismus auch Wagemut und Leistungskraft. Außerdem stärkt es unser Immunsystem und schützt die Firmen so vor hohen Krankenständen.

Sinn hilft, die Zukunft hoffnungsvoll mitzugestalten

Sinn setzt in Bewegung und ermutigt uns, die Zukunft hoffnungsvoll mitzugestalten. Mit Hochgefühlen werden wir vor allem dann belohnt, wenn wir uns als wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft zeigen, wenn wir Wertstiftendes tun und dabei unsere Sache möglichst immer besser machen. Das gilt besonders für Kopfarbeiter. Auch Geistesblitze und Schöpferkraft werden nämlich durch Dopamin befeuert.

Dopamin sorgt für eine maximale Aktivierung des Gehirns, zum Mehr-machen-Wollen, zum Aufbau von Millionen von Hochleistungsneuronen und zu einer stärkeren Vernetzung der Lerninhalte. „Herausforderungen beflügeln“, sagt der Volksmund so trefflich. Ein Mangel an sinnvollen Herausforderungen hingegen wird selbst die Talente der Besten veröden, weil die Dopaminproduktion dann verebbt.

Purpose und Sinn ziehen die Besten wie magisch an

Unternehmen, die von ihren Beschäftigten Großes wollen, versorgen sie am besten regelmäßig mit derartigen Kicks. Sie fordern viel und bringen ihre Mitarbeitenden dazu, sich selbst zu übertreffen. Drohkulissen, entseelte Arbeit, hohe Vorgabendichte und anhaltende Frustration hingegen sorgen dafür, dass Menschen ihren Ehrgeiz verlieren. Als Erstes werden die Guten, die Wertvollen, die Talentierten und die Innovatoren aus solcher Umgebung migrieren, um sich auf die Suche nach einem Arbeitsort mit mehr Sinn, mehr Freiheit und mehr Arbeitsfreude zu machen.

Gerade Zukunftsgestaltern verlangt es nach Sinn. Sie wollen Selbstwirksamkeit spüren, Spuren hinterlassen und Teil von etwas Bedeutsamem sein. Sinnentleerte Arbeit und seelenlose Unternehmen meiden sie wie die Pest. Das Unternehmen, in dem sie tätig sein wollen, muss für einen Purpose stehen, mit dem sie sich wirklich identifizieren. Diese Grundeinstellung befruchtet inzwischen den kompletten Arbeitsmarkt. Zunehmend wünschen sich die Menschen, dass alles Berufliche zu einem bereichernden und in hohem Maße befriedigenden Teil ihres Lebens wird.

Purpose: kein Buzzword, sondern wichtiger denn je

Manche halten Purpose nur für ein Buzzword, das wieder verschwindet. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. In einer Arbeitswelt, in der wir immer mehr durch KI gesteuert werden und uns zugleich immer seltener sehen, weil Remote Work vielfach die Oberhand hat, ist ein gemeinsamer sinnbehafteter Purpose der beste Kitt.

Der Purpose ist der Daseinssinn, das Warum, der „reason why“ einer Organisation. Wie ein Leitstern gibt er die nötige Orientierung. So kann ein sinnvoller Purpose für alle unternehmerischen Entscheidungen als Filter dienen. Er zeigt dem Management, den Mitarbeitenden, Kunden und Partnern,

  • welche Handlungsoptionen passen – und welche nicht,
  • welchen Typ Mitarbeiter man haben will – und wen nicht,
  • welche Partner eine Bereicherung sind – und welche nicht,
  • für welche Kunden man tätig sein will – und für wen nicht.

Für die Toptalente der jungen Generation ist ein glaubwürdig zukunftsfähiger, sozialökologisch geprägter Purpose ein oft maßgeblicher Grund bei der Arbeitgeberwahl. Und wenn Startups für weitere Finanzierungsrunden vor potenziellen Investoren präsentieren, steht meist ihr Purpose auf der ersten Folie, also ganz obenauf.

Konventionelle Leitbilder: in erster Linie selbstzentriert

Altvordere glauben bisweilen, ihre alten Leitbilder würden als Purpose taugen. Nein, tun sie nicht. Konventionelle Leitbilder sind selbstgefällig und egozentriert. Sie zelebrieren keinen Nutzen für den Markt und die Welt, sondern den Traum von eigener Größe und Herrlichkeit. Und so hört sich das an: „Wir sind Marktführer in … .“ Oder so: „Unsere Marken zählen zu den Top 3 global.“ Oder beispielsweise auch so: „Wir sind der Technologievorreiter unserer Branche.“

Dann das alte Leitbild einfach umformulieren? Davon rate ich ab. Das, was ein Leitbild und die mit ihm verbundenen meist hohlen Werte besagen, wurde in tradierten Managementkreisen oft derart missachtet, dass man sie nur noch mit Zynismus erträgt. Lügenbaum wurde zum Beispiel die Säule in einer Düsseldorfer Firmenzentrale genannt, an der Fotos von Führungskräften hingen, die Leitbildsprüche von sich gaben.

Future Purpose: Profit, People & Planet in Balance

Aufgeklärte Konsumenten, Toptalente und auch die Gesellschaft erwarten längst, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und maximalen Profit. Sie wollen vielmehr wissen, welche Haltung ein Anbieter glaubhaft vertritt, wie er mit seinen Kunden und Mitarbeitenden umgeht und welchen Nutzwert er der Welt bringt. Fortan geht es somit um die Vereinbarkeit von Gewinnstreben, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit, um die Balance von Profit, People und Planet. Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss stimmen, um zukunftsfähig zu sein.

Ein Future Purpose ist sinnstiftend, authentisch, wahrhaftig, inspirierend, vorausschauend, kühn. Er definiert, zu einer Kernbotschaft verdichtet, die „höchste zukünftige Möglichkeit einer Organisation“, würde der durch seine „Theorie U“ bekanntgewordene deutsche Systemforscher und MIT-Professor Otto Scharmer wohl sagen. „Put Purpose at the Core of Your Strategy“ titelte die Harvard Business Review bereits 2019. In meinem Orbit-Modell steht er im Zentrum. Wie der Kern einer Frucht sichert er das Überleben am Markt.

Wie man einen zukunftsfähigen Purpose entwickelt

Die Definition eines zukunftsfähigen Purpose beginnt mit folgenden Fragen:

  • Wofür gibt es uns?
  • Für welche Überzeugungen stehen wir ein?
  • Welche Probleme dieser Welt lösen wir?
  • Welche Werte schaffen wir für unsere Kunden?
  • Was ist unser Beitrag für die Gesellschaft?

Zum Beispiel sagt der Purpose des Energielösungsanbieters Viessmann: „Wir gestalten Lebensräume für zukünftige Generationen.“ Bei Fresenius Medical Care klingt er so: „Zukunft lebenswert gestalten. Für Patienten. Weltweit. Jeden Tag.“ Solche Formulierungen zeigen: Es geht nicht darum, wer ein Anbieter ist, sondern um den Impact, den er in die Welt bringen will. All diese Statements sind zudem „groß“ und „breit“ gedacht. Sie schaffen Raum für Ausdehnung und gesundes Wachstum.

Ein zukunftsfähiger Purpose zahlt sich definitiv aus

Ein aufrichtiger und in die Zukunft gerichteter Purpose ist Leitmaxime für das Handeln aller im Unternehmen. Überprüfbar, ehrlich und echt drückt er aus, weshalb ein Unternehmen existiert und was es in der Welt für die Menschen bewirken will. Wer an einer bedeutsamen Sache mitarbeiten kann, legt sich ganz anders ins Zeug als jemand, der sich als Lakai für die Ego-Ziele anderer sieht. Inbrunst, Leidenschaft und volle Leistungskraft entwickelt man nur für das, was einem ein inneres Anliegen ist.

Es ist ganz erstaunlich, welch kollektive Kraft ein auf eine lebenswerte Zukunft ausgerichteter Purpose bei den Menschen freisetzen kann. Wer dem Wohl des Planeten dient, die Lebensqualität der Menschen verbessert und die Welt nachprüfbar zu einem besseren Ort macht, den unterstützen wir gern. Nach den talentiertesten Talenten, den interessantesten Partnern, den kaufkräftigsten Kunden und den fittesten Investoren braucht man dann nicht mehr mühsam zu suchen. Die finden einen.

Anne M. Schüller, Alex T. Steffen

Die Orbit-Organisation

In 9 Schritten zum Unternehmensmodell

für die digitale Zukunft

Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro

ISBN: 978-3869368993

Auch als Hörbuch erhältlich

Anne Schüller

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung.

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