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Warum Arbeitszeitflexibilisierung besser ist als die 4-Tage-Woche

Die Art der Umsetzung ist ganz entscheidend für deren Akzeptanz. Der größte Teil der in Deutschland umgesetzten 4-Tage-Wochen sind allerdings genau dieses Modell: Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 32 Stunden wird auf vier Tage verteilt.

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4-Tage-Woche
Foto: ©AdobeStock/bluedesign

Aktuell erleben wir eine immer mehr ideologisch geführte Diskussion um die 4-Tage-Woche. Für die einen ist sie der Heilsbringer schlechthin, weil sie Unternehmen automatisch attraktiver und produktiver und Mitarbeitende glücklicher mache. Für die anderen ist sie Ausdruck von Dekadenz und Wohlstandsverwahrlosung und führt zu einem noch größeren Fachkräftemangel.

Wer hat nun recht? Meines Erachtens keine Seite. Das Grundproblem ist, dass die Diskussion viel zu verkürzt mit ausschließlichem Fokus auf die 4-Tage-Woche geführt wird. Was wir eigentlich brauchen, ist eine Diskussion, wie Arbeitgeber attraktiver werden können, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Und hier gibt es weit mehr Möglichkeiten als die 4-Tage-Woche.

Die 4-Tage-Woche kann je nach Ausprägung unterschiedliche Nachteile haben

In vielen Medien und auf LinkedIn wird sehr pauschal über die 4-Tage-Woche geschrieben. Umfragen würden zeigen, dass über 90 Prozent der Mitarbeitenden diese gern hätten. Dabei wird aber nie differenziert, über welche Art der 4-Tage-Woche wir reden. Bei einem Webinar mit ca. 70 Teilnehmenden hatte ich gefragt, wer gern eine 4-Tage-Woche hätte. 83 Prozent bejahten dies.

Auf meine Frage, wer eine 4-Tage-Woche möchte, wenn die vorhandene Arbeitszeit auf vier Tage umverteilt würde, waren es nur noch 30 Prozent. Dies zeigt, dass die Art der Umsetzung ganz entscheidend für deren Akzeptanz ist. Der größte Teil der in Deutschland umgesetzten 4-Tage-Wochen sind allerdings genau dieses Modell: Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 32 Stunden wird auf vier Tage verteilt.

Die Verteilung der Arbeitszeit auf vier Tage pro Woche hat diverse Nachteile

Wie schwerwiegend diese Nachteile sind, hängt jedoch maßgeblich von der Höhe der zu verteilenden Wochenarbeitszeit ab. Der Worst Case ist die Verteilung von 40 Stunden auf vier Tage à zehn Stunden. Das ist das unflexibelste Modell, das man sich vorstellen kann. Aufgrund des Arbeitszeitgesetzes dürfte an keinem Tag mehr als zehn Stunden gearbeitet werden. Um aber auf die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zu kommen, darf man auch keine Minute weniger arbeiten. Unabhängig vom Arbeitsanfall müsste man also immer die zehn Stunden absitzen. Die Möglichkeit, Kinder vor oder nach der Arbeit zur Kita zu bringen oder abzuholen, wird an diesen Tagen auch deutlich eingeschränkt sein, zumal man brutto 10:45 Stunden arbeiten muss, um die gesetzlichen Pausen einzuhalten.

Wo in diesem Fall die viel diskutierte Produktivitätssteigerung herkommen soll, ist mir ebenfalls ein Rätsel, denn Studien zeigen auf, dass die Produktivität bei längeren Tagesarbeitszeiten eher sinkt. Zusätzlich gibt es aus betrieblicher Sicht sowohl auf Tages- als auch auf Wochenebene keinerlei Flexibilität bei Bedarfsschwankungen.

Die beschriebenen Nachteile werden allerdings umso kleiner, je geringer die Wochenarbeitszeit ist, die auf die vier Tage umverteilt wird. Bei z. B. 36 Stunden wären es „nur“ noch neun Stunden pro Tag, was zumindest noch etwas Flexibilität ermöglichen würde. Am besten wäre die Verteilung von 32 Stunden auf vier Tage. Das wäre aber nur bei vollem Lohnausgleich sinnvoll, denn alles andere wäre bereits heute in Form eines Teilzeitmodells ohnehin möglich. Aber: Eine verlustfreie Umsetzung bei 32 Stunden mit vollem Lohnausgleich ist nicht überall möglich.

Die Voraussetzung für eine verlustfreie Umsetzung wäre, dass die Produktivität so gesteigert wird, dass derselbe Output mit weniger Kapazität möglich ist. Bei einer Senkung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 32 Stunden wäre eine Produktivitätssteigerung von 25 Prozent nötig, um die reduzierte Kapazität auszugleichen. Mögliche Ansätze für Produktivitätserhöhungen könnten sein:

  • effizientere und kürzere Meetings,
  • Verbot von privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit (z. B. Bestellungen, Social Media etc.),
  • weniger Zeit in der Kaffeeküche,
  • Prozessoptimierungen,
  • Automatisierungen.

Die ersten drei Punkte können eher in administrativen Bereichen umgesetzt werden und das ist auch der Grund dafür, dass bis dato die meisten 4-Tage-Wochen mit Arbeitszeitreduktion in White-Collar-Bereichen umgesetzt wurden, da diese Produktivitätspotenziale vergleichsweise einfach zu heben sind. Schwieriger ist das in allen Branchen, in denen es nicht nur um quantitativen Output, sondern um die Besetzung einer Zeitstrecke geht.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 1/2024.

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