Rechtliche Risiken beim HR-Outsourcing
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG Berlin-Brandenburg) hat mit Urteil vom 26.1.2023, Aktenzeichen L 4 KR 550/16 einen folgenschweren Leitsatz formuliert. IT-Spezialisten, die in selbst gewählter Arbeitsstätte, z.B. in der eigenen Wohnung, tätig und hierbei auf Hard- und Software ihres Auftraggebers bzw. dessen Kunden angewiesen sind, können Heimarbeiter i.S.v. § 12 Abs. 1, Hs. 2 SGB IV sein.
Durch die Digitalisierung entsteht eine Vielzahl von Projekten, die häufig nicht mit eigenem Personal abgearbeitet werden können. Daher greifen Unternehmen gern auf Selbstständige zurück. Doch damit wird auch das Thema Scheinselbstständigkeit aktuell. In der Folge können immense Nachzahlungen bei Sozialabgaben und Steuern sowie Bußgelder für die Auftraggeber drohen. Unser Autor, Raschid Bouabba, zeigt die Fallstricke auf und stellt Lösungen vor.
Mobile Arbeit und HR-Outsourcing werden zunehmend als die zwei Seiten einer Medaille wahrgenommen. Ausgangspunkt ist zum einen der hohe Druck, der national durch den zunehmenden Fach- und Führungskräftemangel am Einsatzort entsteht. Andererseits muss der Einstieg von Arbeitnehmern mit hoher Flexibilität auch global bewältigt werden. Im internationalen Kontext sind die lokalen gesetzlichen Bestimmungen im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht zu beachten. Es erscheint reizvoll, all diese Schwierigkeiten durch gezieltes Outsourcing zu vermeiden. Doch gilt es, die Fallstricke zu kennen.
Risiko: Heimarbeit
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG Berlin-Brandenburg) hat mit Urteil vom 26.1.2023, Aktenzeichen L 4 KR 550/16 einen folgenschweren Leitsatz formuliert. IT-Spezialisten, die in selbst gewählter Arbeitsstätte, z.B. in der eigenen Wohnung, tätig und hierbei auf Hard- und Software ihres Auftraggebers bzw. dessen Kunden angewiesen sind, können Heimarbeiter i.S.v. § 12 Abs. 1, Hs. 2 SGB IV sein. Damit würden selbstständige IT-Dienstleister im Sozialversicherungsrecht als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte beurteilt, mit der Folge, dass der Auftraggeber die Pflichten als Arbeitgeber zu erfüllen hätte.
In der Rechtsprechung werden die Kriterien für die Statusabgrenzung entsprechend der Entwicklung der Arbeitswelt weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass die freie Wahl des Arbeitsortes und der Arbeitszeit jedenfalls in der modernen Arbeitswelt kein Kennzeichen für eine selbstständige Tätigkeit darstellen. Fehlende feste Arbeits- oder Bürozeiten in Kombination mit einer in der eigenen Wohnung vollzogenen Aufgabenerledigung bei gleichzeitiger Einbindung in eine nicht selbstgeschaffene betriebliche Organisation stehen einer Qualifizierung als Beschäftigung nicht entgegen.
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens sind, wenn die zu prüfende Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht wird, auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R). Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten ist im Rahmen der Statusabgrenzung nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R). Unter eine doppelte Schriftformklausel gestellte Vereinbarungen verlieren nicht deshalb an Bedeutung, weil die Beteiligten etwas anderes „gelebt“ haben. Andernfalls wäre dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht Genüge getan.
Modell: Employer of Record (EOR)
Bei dem sogenannten Employer of Record (EOR) handelt es sich um ein Personaleinsatzmodell. Diesem liegt die Idee zugrunde, die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland zu erleichtern. Eine Agentur (der EOR) stellt Arbeitnehmer am Einsatzort auf Grundlage eines Arbeitsvertrages nach dem jeweiligen lokalen Recht an und überträgt das Weisungsrecht des Arbeitgebers auf das Kundenunternehmen. Die Arbeitnehmer erbringen die Arbeitsleistung dann bedarfsabhängig (vollständig oder teilweise) in dem jeweiligen Einsatzland unter (fachlicher) Weisung des Kundenunternehmens. Sie treten von dort auch Dienstreisen wiederum ins Ausland an oder sind mobil tätig. Der EOR ist daher nur formaler Arbeitgeber und übt in Abstimmung mit dem Kundenunternehmen das disziplinarische Weisungsrecht aus (zum Beispiel Abmahnung, Kündigung).
Der Nutzen besteht für die Kundenunternehmen darin, dass ihnen der EOR rechtliche Risiken und Verwaltungsaufwand abnimmt. Die Agenturen übernehmen unter anderem die Beantragung von erforderlichen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, die notwendige Kommunikation mit lokalen Behörden, die Erstellung der monatlichen Gehaltsabrechnung (Payroll), die Erstellung des Arbeitsvertrages sowie die rechtskonforme Abwicklung des gesamten Arbeitsverhältnisses.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 4/2023.