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Ein richtig neuer Reorganisationsprozess

Selbstverständlich sind die Termine wie gewohnt „sportlich“, selbstverständlich „bleibt uns keine Wahl“, wenn wir keine Marktanteile verlieren möchten, selbstverständlich „sichern wir Arbeitsplätze“, wenn auch weniger, so dennoch auf lange Sicht – vielleicht. Selbstverständlich werden „Lösungen für alle Mitarbeitenden“ gesucht und wohl in einigen Fällen auch gefunden.

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Foto: © stock.adobe.com/Monster Ztudio

„Hannes managt“ ist eine Geschichten-Serie mit feinsinniger Satire aus den und über die Management-Etagen.

„Der Markt ist unberechenbarer und schneller geworden, die Anforderungen der Kunden steigen, die Digitalisierung hält Einzug und verlangt Flexibilität“. Mit diesem Satz leitet der CEO in Hannes’ Unternehmen die aktuelle Ausgangslage ein, zeigt 3D-animierte Powerpoint-Slides und schließt nach dem 60-Minuten-Elaborat mit den Worten: „Wir müssen unsere Organisation diesen neuen Begebenheiten anpassen.“

Selbstverständlich sind die Termine wie gewohnt „sportlich“, selbstverständlich „bleibt uns keine Wahl“, wenn wir keine Marktanteile verlieren möchten, selbstverständlich „sichern wir Arbeitsplätze“, wenn auch weniger, so dennoch auf lange Sicht – vielleicht. Selbstverständlich werden „Lösungen für alle Mitarbeitenden“ gesucht und wohl in einigen Fällen auch gefunden.

Eine neue Organisation und eine neue Strategie

Das Beratungsunternehmen, das dem CEO zur Seite stand, hat bereits einen Vorschlag für eine neue Organisation skizziert. Man sieht es auf dem Slide, die Worte ergänzen: Man wird von der Vertikalisierung, der strikten Trennung von Geschäftsbereichen wegkommen und alles unter einem Dach vereinigen. Anstatt fünf HR-Abteilungen, gibt es eine zentrale, aus fünf Buying-Centern wird ein großes geschmolzen. Der Kunde hat, anstatt seine fünf Account-Manager und fünf Client-Prozess-Berater und dank der neuen Strategie „one-client-one-face“, nur noch einen Ansprechpartner.

Der Applaus ist dem CEO sicher, denn genau DAS war ja das Problem in der letzten Zeit und jeder stimmt in den Chorus ein: „Ja, das ist absolut richtig, entspricht dem Client-Fokus-Gedanken und ,by the way‘ können Synergien genutzt werden.“ Heißt übersetzt wieder: „Kosten runter!“

Man gewöhnt sich ja auch daran

Hannes sinniert, er ist mit gut 50 Lebensjahren der älteste in der Gruppe, mit bald 20 Jahren Betriebszugehörigkeit für viele nicht nur ein Fossil, sondern, je nach Zielgruppe, entweder unersetzlich oder ein Bremsklotz. Wie auch immer, in den bald 20 Jahren ist das nun die sechste Reorganisation. „Man gewöhnt sich ja auch daran“, schießt ihm durch den Kopf.

Er denkt nach. Ja, vor vier Jahren, noch beim alten CEO, war es eine seiner letzten Errungenschaften, die Vertikalisierung zwecks Kostenkontrolle einzusetzen. Er meinte, das sei absolut nötig, denn: „Der Markt ist unberechenbarer und schneller geworden, die Anforderungen der Kunden steigen, die Digitalisierung hält Einzug und verlangt Flexibilität.“ Nur eine klare Zuordnung sichert die Prozesssicherheit, was am Ende des Tages ja auch wieder dem Kunden zugutekommt. Der Gedanke,
dass man nur noch die Spezialisten aus den Geschäftsbereichen auf die Kunden loslässt, war, dass dann wirkliches Fach-Know-how da war. Man kann ja nicht alles wissen.

One company, one spirit, one face Wiederum drei Jahre zuvor, wurde das hohe Lied von „one company, one spirit, one face“ gesungen. Man hat damals die Dach-Strategie eingeführt und die Organisation zentral, ohne diese lästigen Geschäftsbereiche geschaffen. In der Zeit, als Hannes begann, war gerade Usus, dass man vertikalisiert …

So findet Hannes gar in alten Ordnern (ja, er hat das behalten), wie die Organisation aussah, was deren Argumente waren und wie man damals die Felder im Organigramm versuchte zu füllen. Es war so, dass es auch damals mehr Menschen als Felder hatte … aber ja, man konnte ja nicht alles haben.

Wenn er nun alle Organigramme der letzten Reorganisationen vergleicht, fällt auf: Jedes Mal einfach Matrix drehen, jedes Mal ein anderer CEO, aber jedes Mal die gleiche Argumentation von: „Der Markt ist unberechenbarer und schneller geworden, die Anforderungen der Kunden steigen, die Digitalisierung hält Einzug und verlangt Flexibilität“.

Hannes hat einen Einfall

Hannes hat eben einen Einfall. Er schreibt zwei Bücher zum Thema „Organisation im neuen Zeitalter“. Das scheint ein zeitloser Titel zu sein. In einem Buch beschreibt er das hohe Lied der vertikalen Organisationsstruktur, im anderen beleuchtet er die Dach-Struktur als die eigentlich richtige. Je nach Trend im Beratermarkt gibt er dann einfach das eine oder andere heraus …

STEFAN HÄSELI,
Keynote-Speaker, Kommunikationstrainer und Kabarettist,
E-Mail: stefan.haeseli@stefanhaeseli.ch, www.stefanhaeseli.ch

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