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Der Coaching-Markt wird zunehmend digital

Wir haben mit dem Trainer und Autor Bernhard Kuntz darüber gesprochen, warum Corona für den Coaching-Markt ein Glücksfall war, warum es immer mehr Coaching-Apps gibt und was einen guten Coach ausmacht.

3 Min. Lesezeit
Coaching
Foto: ©AdobeStock/Konstantin Yuganov

Ein Interview mit dem Trainer und Autor Bernhard Kuntz über die gestiegene Akzeptanz von Digital Coachings, die Veränderungen am Coaching-Markt sowie das wachsende Angebot KI-gestützter Coaching-Apps.

HRP: Herr Kuntz, Sie prophezeiten 2016 in einem Artikel, der Coaching-Markt werde in drei, vier Jahren wie eine Börsenblase platzen.

Bernhard Kuntz: Ich gestehe, ich habe mich geirrt. Das Marktvolumen ist seitdem Jahr für Jahr gestiegen.

HRP: Was ist der Grund dafür?

Kuntz: Unter anderem, weil sich die Corona-Pandemie für den Coaching-Markt rückwirkend betrachtet als ein Glücksfall und Gamechanger erwies.

HRP: Corona war für den Coaching-Markt ein Glücksfall? Erläutern Sie das bitte genauer.

Kuntz: Insbesondere in den Lockdown-Phasen der Corona-Zeit erkannten viele Coaching-Anbieter und -nachfrager: Ein Coaching setzt nicht immer ein persönliches Treffen zwischen dem Coach und dem Coachee voraus. Es funktioniert auch online. Und nicht selten hat ein Digital-Coaching sogar Vorteile gegenüber einem Präsenzcoaching. Entsprechend groß ist heute die Nachfrage nach Digital-Coachings. Tendenz steigend.

HRP: Digitale Technik macht viele Coachings erst möglich. Bitte nennen Sie uns hierfür ein Beispiel!

Kuntz: Zum Beispiel Coachings von Teams, deren Mitglieder an verschiedenen Orten oder gar in verschiedenen Ländern arbeiten. Das heißt, Coachings von virtuellen oder hybriden Teams, die durch das vermehrte Arbeiten im Homeoffice an Bedeutung gewonnen haben. Außerdem werden im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung die Kernleistungen der Unternehmen zunehmend von bereichs-, standort- und nicht selten sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht werden.

HRP: Coaching-Apps gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung. Wie sehen Sie das?

Kuntz: Ich erwarte, dass die Unternehmen künftig verstärkt auf Coaching-Apps setzen – allein schon aus Kostengründen – und zwar nicht nur, wenn es um solche soften Themen wie Stressmanagement geht, sondern auch, wenn es beispielsweise um das Vermitteln des erforderlichen Mindsets und Kompetenzen im Bereich Führung und Projektmanagement geht. Hier werden die Coaching-Apps jedoch primär ein Tool sein, um die Personalentwicklungsmaßnahmen effektiver sowie den Bedürfnissen der nachrückenden Mitarbeiter angemessener zu gestalten.

HRP: Welche Gruppe von Mitarbeitenden haben Sie da im Blick?

Kuntz: Die Angehörigen der Generation Y und Z, die heute schon oft zu den Leistungsträgern in den Unternehmen zählen, sind es gewohnt, netzgestützt zu arbeiten, zu kommunizieren, zu lernen usw. Deshalb erwarten sie geradezu, dass die Digitaltechnik auch bei der Personalentwicklung zum Einsatz kommt – allein schon, weil ihnen dies ein zeit- und ortsunabhängigeres Lernen ermöglicht. Diese App-Nutzung wird jedoch, zumindest wenn es um die Entwicklung der Leistungsträger in den Kernbereichen der Unternehmen geht, stets in umfassendere Coaching- und Personalentwicklungskonzepte eingebunden sein.

HRP: Gefragt sind also auch hybride Coachings. Was bedeutet das genau?

Kuntz: Der Coach wird sich zum Beispiel zu Beginn einer Coaching- oder Entwicklungsmaßnahme zunächst einmal persönlich mit den Teilnehmern trifft, um zu ihnen eine Beziehung aufzubauen und sich mit ihnen auf Entwicklungsziele zu verständigen. Danach finden Online-Coachings und -Trainings statt, zwischen denen die Teilnehmer wiederum das Gelernte unter anderem mit einer Coaching- oder Selbstlern-App einüben und vertiefen. Dann findet erneut ein persönliches Treffen statt.

HRP: Was bedeutet das für die Business-Coaches?

Kuntz: Eine hohe Digitalkompetenz wird für sie, ebenso wie für die HR-Bereiche, zunehmend unverzichtbar, damit sie solche komplexen Coaching- bzw. Blended-Learning-Konzepte überhaupt erarbeiten und realisieren können, denn diese haben für die Unternehmen viele Vorteile.

HRP: Bitte erläutern Sie uns einen solchen Vorteil.

Kuntz: Der besteht u. a. darin, dass die Coachees, wenn sie ein akutes Problem haben, dieses unmittelbar mit dem Coach erörtern können, statt wochen- oder gar monatelang auf das nächste Präsenz-Coaching zu warten.

HRP: Das klingt, als müssten die Business-Coaches künftig auch verstärkt als Berater und Trainer agieren?

Kuntz: Das haben gute Coaches auch in der Vergangenheit schon getan, weil es beim Business-Coaching eigentlich immer darum geht, dass der Coachee seinen Job nach dem Coaching besser macht. Deshalb schlüpften gute Coaches schon immer situations- und bedarfsabhängig auch mal in die Rolle des Trainers oder Beraters. Das erwarten die Unternehmen von einem Business-Coach auch, wenn dies der Zielerreichung dient. Deshalb achten sie bei der Auswahl der Business-Coaches auch stark auf deren fachliche Expertise und Felderfahrung.

HRP: Das heißt, Beratung und Coaching verschmelzen?

Kuntz: Aus meiner Warte war diese Trennung schon immer eine künstliche. Meine These laut: Reine Coaches haben es im Business-Bereich künftig zunehmend schwer – auch weil solche Coaching-Themen wie Selbstführung, bei denen die Wurzeln des Problems primär in der Persönlichkeit des Coachees liegen, zunehmend von KI-gestützten Coaching-Apps abgedeckt werden.

HRP: Herr Kuntz, vielen Dank für das Gespräch.

(Das Interview erschien in der HR Performance 2/2024.)

Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz ist Trainer und Autor.

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