Kontrollrechte des Arbeitgebers
Regelt eine Betriebsvereinbarung zur Zeiterfassung, dass „keine anderen Zwecken dienende personenbezogene Auswertung erfolgt“, ist nach dem BAG hieraus zum einen nicht zu entnehmen, dass die Parteien eine Datenverarbeitung zum Zwecke der Ahndung von vorsätzlichen Pflichtverletzungen ausschließen wollten.
Professor Peter Gola beleuchtet in seinem neuesten Artikel den Umgang mit sensiblen Personaldaten bei der Aufklärung und Ahndung arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen von Beschäftigten und gibt dabei einen Einblick in das komplexe Feld von datenschutzrechtlichen Vorgaben, Betriebsvereinbarungen und Arbeitnehmerrechten und zeigt Konsequenzen bei unbefugter Kontrolle.
Vorbemerkung
Der Aufklärung und Ahndung arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen von Beschäftigten können datenschutzrechtliche Vorgaben oder auch „interne“ Verwertungsverbote aus Betriebsvereinbarungen entgegenstehen. Dies kann in der Praxis dazu führen, dass offenkundige Pflichtverletzungen unsanktioniert bleiben müssen.Dass Datenschutz aber jedenfalls in gravierenden Fällen nicht zum Täterschutz führen darf, hat die Rechtsprechung auch für das Arbeitsverhältnis wiederholt betont und in aktueller Rechtsprechung bestätigt. Das BAG betont, dass weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel ein prozessuales Verwertungsverbot enthalten.
Wiederholt haben hierbei offene und heimliche Videoaufzeichnungen eine Rolle gespielt. Aber auch die Verwertung von Informationen, die mittels eines heimlichen und damit uneingewilligten Mithörens von Telefonaten des Arbeitnehmers gewonnen wurden oder das heimliche Aufzeichnen von Gesprächen mit Beschäftigten zwecks Tataufklärung bzw. -verfolgung, beschäftigten die Rechtsprechung. Befugt handelt der Arbeitgeber dann, wenn ihm das Abhören oder Aufzeichnen durch Einwilligung, durch eine Eingriffsnorm oder durch einen sich nach einer Rechtsgüterabwägung ergebenden vorrangigen Grund4, gestattet ist.
Voraussetzung des Verwertungsverbots
Ein gerichtliches Verwertungsverbot im Zivilprozess kann sich aus der Grundrechtsbindung der Gerichte (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie aus dem Gebot der rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung ergeben. Zivilgerichte haben demgemäß zu prüfen, ob mit der gerichtlichen Verwertung eines Beweismittels ein nicht hinnehmbarer Grundrechtseingriff für einen der Verfahrensbeteiligten verbunden ist. Verfassungsrechtlich geschützt ist insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht in Gestalt des Rechts auf Informationelle Selbstbestimmung.
Unter Rechtsverstoß erlangte Beweise
Der Umstand, dass der Arbeitgeber die Kenntnis der von ihm behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise (z. B. infolge einer mit Art. 9 DS-GVO unvereinbaren Videoüberwachung) erlangt hat, führt nach der Rechtsprechung nicht ohne Weiteres zu einem Verbot von deren prozessualen Verwertung. Von Verfassungswegen besteht jedenfalls kein Rechtssatz, nach dem, im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung, die Verwertung der gewonnenen Beweise dem Arbeitgeber stets untersagt wären.
Videoüberwachung
So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem Arbeitgeber bei einem berechtigten Verdacht von schwerwiegenden Straftaten (hier gravierende Diebstähle) eine an sich verbotene verdeckte Videoüberwachung gestattet. Umso mehr gilt das bei einer öffentlichen Video-Überwachungsmaßnahme, wenn sie einer Gefährdungslage entsprechend vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers abwehren oder belegen soll. Auch die Bildaufnahme eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers können zulässig sein, wenn konkrete Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Arbeitnehmer die Krankheit vortäuscht.
Andererseits ist eine nur präventive, d. h. nicht durch einen auf konkreten Tatsachen beruhendem Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründete, lückenlosen und dauerhaften Videoüberwachung nicht legitim.
Besteht das Überwachungsinteresse, so können die Auswertungen ggf. auch erfolgen, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht. So soll es grundsätzlich irrelevant sein, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet hat – die Aufsichtsbehörden akzeptieren nur eine Frist von 72 Stunden. Auch der Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 4 Abs. 2 BDSG führt nicht zu dem Verbot, die ansonsten in zulässiger Weise beschaffte Information zu Beweiszwecken zu verwerten.
Die der Tataufdeckung nachfolgende Kündigung bedarf der Zustimmung des Betriebsrats, die jedoch nicht deswegen versagt werden darf, weil der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht beteiligt wurde.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag aus der HR Performance 2/2024.